Frage an Norbert Spinrath von Rainer B.
Sehr geehrter Herr Spinrath,
Sie haben heute im Bundestag bei der Rede zur Regierungserklärung der Kanzlerin als EU-Experte der SPD den Altkanzler Kohl als Beispiel dafür genannt wie man für Europa einstehen kann und wie man kleineren Ländern wie Griechenland helfen kann.
Leider haben Sie dabei vergessen zu erwähnen dass nach Willen von Kohl und Waigel Griechenland niemals in den Euro aufgenommen wäre.
Das wird in einer Doku des Schweitzer TV zur Euro-Krise belegt:
http://doku5.com/euro-abgrund/
Sie sagen mit Kohl hätte die jetzigen Probleme mit Griechenland nicht gegeben.
Das stimmt!
Das uns Herr Schröder Anfang 2001 eingebrockt!
Ist es jetzt der neue SPD-Stil im Wahlkampf die Realitäten einfach umzukehren?
Zum Thema 2% des BIP für Verteidigungsausgaben:
Sie beschimpfen Merkel dafür dass sie diese Ausgaben auf knapp 1,3% erhöht.
Ist es nicht so dass der Ex-Kanzler Schröder diese 2% beim Nato-Gipfel 2002 in Prag zugesagt hat?
Und dass er das am Sonntag beim Parteitag schon vergessen hatte?
Beleg für diesen Nato-Gipfel-Beschluss auf Seite 16:
www.kas.de/wf/doc/kas_1298-544-1-30.pdf?030113134338
Ich möchte Sie gerne fragen ob das jetzt der neue Wahlkampfstil der SPD sein soll?
Verdrehung der Tatsachen und Zuweisung der Schuld für eigenen Entscheidungen auf den politischen Gegner?
Bei den vielen Schuldzuweisungen an Frau Merkel bei der EU-Politik frage ich Sie ob die SPD nicht 8 der 12 Regierungsjahre der Kanzlerin mitregiert hat?
Und ob Herr Schulz als Präsident des EU-Parlamentes nicht alle diese Entscheidungen öffentlich mitgetragen und verteidigt hat?
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Baack
Sehr geehrter Herr Baack,
Sie sind der Meinung, dass „nach Willen von Kohl und Waigel Griechenland niemals in den Euro aufgenommen“ worden wäre und dass die Verantwortung für die Aufnahme Griechenlands in die dritte Stufe der Währungsunion Altkanzler Schröder zu vertreten habe.
Meiner Ansicht nach ist Ihre Einschätzung nicht haltbar. Helmut Kohl und Theo Waigel werden zurecht als die führenden Architekten der Währungsunion bezeichnet. Auf sie gehen entscheidend die Kriterien für die Einführung des Euros, der sog. dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, zurück. Keines dieser Kriterien beurteilt die realwirtschaftliche Konvergenz, alleine Inflations-, Haushalts- und Finanzmarktindikatoren, also nominale Wertgröße, werden herangezogen. Ein möglicher realwirtschaftlicher Prüfstein wäre etwa gewesen, dass die Wirtschaftsleistung eines Landes gemessen als Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner einen gewissen Prozentsatz des durchschnittlichen Wertes in der Eurozone hätte erreichen müssen. So lag der Wert für das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner von Griechenland im Jahre 2000 bei unter 75% des Durchschnitts der damaligen elf Eurostaaten. Einen solchen Indikator gab es aber nicht. Hätten die Architekten des Euros also tatsächlich die Absicht gehabt, Griechenland auszuschließen, hätten sie es versäumt, die dafür notwendigen Kriterien zu definieren. Der Vorwurf, wenn man ihn denn machen will, ginge auf Kohl und Waigel zurück.
Es trifft zwar zu, dass die von Bundeskanzler Schröder geführte Bundesregierung der Einführung des Euros in Griechenland zugestimmt hat, so wie alle Regierungen der anderen Eurostaaten. Dies erfolgte auf entsprechende Empfehlung der EU-Kommission, die die Erfüllung der damals gültigen, wie bereits ausgeführt, nur einen begrenzten Sachbereich erfassenden Kriterien bestätigte. Erst nach Jahren sind Zweifel aufgekommen, ob die Kriterien tatsächlich erfüllt waren. Dies kann man den damals handelnden Verantwortlichen nicht vorwerfen. Im Nachhinein ist man leicht schlauer.
Zum Thema 2% des BIP für Verteidigungsausgaben habe ich nichts in meiner Rede gesagt, aber mein Fraktionschef, Thomas Oppermann, hat dies getan. Allerdings hat er nicht Bundeskanzlerin Merkel beschimpft, wie Sie schreiben. Thomas Oppermann hat sich mit der Forderung des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump, 2% der Wirtschaftsleistung in die Rüstung zu investieren, auseinandergesetzt. Dazu kann ich Ihnen folgendes sagen:
Die Bundesregierung steht zu den Beschlüssen des NATO-Gipfels von Wales im Jahr 2014. Dort haben die Staats- und Regierungschefs aller NATO-Nationen vereinbart, dass Bündnispartner, deren Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien derzeit unter dem Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen, die Verteidigungsausgaben nicht weiter kürzen; dass sie darauf abzielen, die realen Verteidigungsausgaben im Rahmen des BIP-Wachstums zu erhöhen; und dass sie darauf abzielen, sich innerhalb von 10 Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent des BIP zuzubewegen.
Diese Beschlüsse sind eine politische Selbstverpflichtung und keine Vorgabe einer bestimmten Ausgabenhöhe. Gerade Deutschland mit seiner Geschichte sollte nicht danach streben, die größte Militärmacht in Europa zu werden. Das wollen wir nicht und das wollen auch unsere Nachbarn nicht. Aber Deutschland erfüllt wesentliche Beschlüsse von Wales, darunter das Bekenntnis, den Trend der rückläufigen Verteidigungshaushalte umzukehren.
Die Konzentration auf Verteidigungsausgaben allein, halte ich allerdings für wenig hilfreich als Maßstab für Sicherheit. Ein solches Verständnis kann uns an anderer Stelle teuer zu stehen kommen. Der globale Kampf gegen Armut, Hunger und Fluchtursachen gehören ebenso zur Sicherheit dazu.
Mit freundlichen Grüßen,
Norbert Spinrath