Norbert Spinrath 2021
Norbert Spinrath
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Frage von Bernd D. •

Frage an Norbert Spinrath von Bernd D.

Hallo,

gegen diese Abkommen gäbe es viele Negative zu sagen.

Mir geht es jetzt nur um die Schiedsverfahren, die außerhalb unseres Rechtsweges Unternehmen eine erweiterte Möglichkeit gibt, einen Schaden geltend zu machen.

Es ist nicht einsehbar, wieso nicht unsere Gerichte -offen und transparent- entscheiden sollen.

Und ich verstehe auch nicht, wie ein demokratisch gesinnter Politiker, einem Unternehmen die Möglichkeit zusätzlich und erweitert gibt, einen Schaden geltend zu machen, so wie es unsere Recht heute nicht vorsieht ?

Und dann in einem intransparenten Schiedsverfahren ohne Möglichkeit der Berufung oder Nutzung des Rechtsweges.

Sie müssten eigentlich schon selbst längst gemerkt haben, wie Unternehmen in anderen Ländern dieses Instrument bereits nutzen, um Milliarden an Schadenersatz zu bekommen.

Wollen Sie, das das bei uns auch so kommt ?

Norbert Spinrath 2021
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Deling,

vielen Dank für Ihre E-Mail in der Sie sich kritisch zu Schiedsgerichten bei TTIP und CETA äußern. Hierzu nehme ich gern nachfolgend Stellung.

Eines vorab: Wir wollen die Abkommen – aber nicht um jeden Preis. Die roten Linien der S&D Gruppe und des SPD-Parteikonvents aus dem Jahre 2014 dürfen nicht überschritten werden.

Bezüglich des Investorenschutzes hat das Europäische Parlament Anfang Juli 2015 eine Resolution zu den laufenden TTIP-Verhandlungen verabschiedet. Damit setzt das Europaparlament einen wichtigen Maßstab für ein gutes und faires TTIP und verankert eine Ablehnung der bisherigen privaten Schiedsstellen in der TTIP- Resolution. Hierbei war die Rolle der europäischen Sozialdemokraten entscheidend, die sich unter Führung ihres Berichterstatters Bernd Lange nun in entscheidenden Punkten durchgesetzt haben. Am heftigsten gerungen wurde um die privaten Schiedsstellen ISDS (Investor-State Dispute Settlement). Mit der klaren Absage an die privaten Schiedsstellen konnte erreicht werden, dass nur ein demokratisches und transparentes Gerichtsverfahren mit unabhängigen Richtern und eine Revisionsinstanz im TTIP-Abkommen vom Europäischen Parlament akzeptiert wird.

Auch der neuste Entwurf der Europäische Kommission vom 16. September 2015 für ein neues Instrument zum Investitionsschutz in EU-Handelsverträgen ist stark von den Forderungen der Sozialdemokraten geprägt. Dieses soll die Form eines Investitionsgerichtshofes annehmen und stellt eine radikale Kurswende in der EU-Handelspolitik dar, bewirkt durch öffentlichen und politischen Druck vor allem von den Sozialdemokraten aus dem Europäischen Parlament. Das neue Instrument in Form eines Gerichtshofes baut auf einen Pool von 15 Richtern auf (fünf EU-Richter, fünf US-Richter und fünf aus Drittstaaten). Diese werden von den Vertragsparteien, also den Staaten, nominiert, müssen höchste Anforderungen erfüllen und dürfen ausschließlich in dieser Funktion tätig sein - eine entscheidende Verbesserung gegenüber dem ISDS-Instrument. In diesem wurden Schiedsleute gemeinsam von Staaten und den klagenden Firmen nominiert und durften auch in beratender Funktion tätig werden - Interessenkonflikte waren so vorprogrammiert. Auch das Recht von Staaten, im Sinne des Allgemeinwohls zu regulieren, ist fest in dem neuen Instrument verankert, inklusive einer Nicht-Stabilisierungsklausel: Investoren wird das Recht genommen, eine Änderung des regulatorischen Umfelds als Klagegrund zu nehmen.

Neben der Forderung, das ISDS-System durch ein neues System zu ersetzen, haben sich die Sozialdemokraten auch für die Verankerung von starken Arbeitnehmerrechten eingesetzt. Außerdem sind der unmissverständliche Schutz unserer öffentlichen Daseinsvorsorge sowie der kulturellen Vielfalt in der Resolution verankert. Auch sind die europäischen Standards im Verbraucher-, Umwelt- und Datenschutz nicht verhandelbar. Damit hat sich das Europäische Parlament sehr eindeutig positioniert. Nur unter diesen Voraussetzungen wird es einem TTIP-Verhandlungsergebnis zustimmen. Die Europäische Kommission hat in ersten Reaktionen bereits ein Eingehen auf die Forderungen des Europäischen Parlaments angekündigt. Mit einem solchem Abkommen wird es keine Herabsetzung der europäischen Standards geben.

Die zehn Forderungen der SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament aus der Resolution an TTIP füge ich meiner E-Mail als Übersicht bei.

Die Resolution ist dabei nicht nur eine klare Position für die TTIP-Verhandlung, sondern auch für andere zukünftige Handelsabkommen. Dass ISDS ersetzt werden muss, ist eine Forderung, die sich auf alle EU-Handelsabkommen bezieht – auch auf das bereits ausgehandelte CETA-Abkommen mit Kanada. Die Abstimmung im Europäischen Parlament hat gezeigt, dass es keine privaten Schiedsstellen geben wird. Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten kämpfen im Europäischen Parlament – genauso wie in der SPD-Bundestagsfraktion – für ein demokratisches, transparentes System für unabhängige, von Staaten ernannten, Richter, für die vollständige Transparenz der Verfahren sowie für eine Revisionsinstanz. Statt Schiedsstellen, die zum Missbrauch einladen, wollen wir unabhängige Gerichte, die auf der Grundlage von parlamentarischen Gesetzen arbeiten. Nicht umgekehrt.

Dies gilt im Übrigen auch für das CETA-Abkommen. Denn auch in Bezug auf CETA wird es ein Zurückfallen hinter den Resolutionsbeschluss des Europäischen Parlaments zu TTIP nicht geben.

Der nun von der Handelskommissarin Cecilia Malmström vorgestellte Entwurf eines Investitionsgerichtshofes, ist der richtige Weg vorwärts und der "Todesstoß" für ISDS. Nach einer ersten Prüfung des Entwurfes werden sich die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament insbesondere für die Verankerung von Pflichten von Investoren für die soziale Verantwortung in Unternehmen und eine weitere Verengung des Anwendungsbereichs des Instruments auf Nicht-Diskriminierung einsetzten. Zudem sollte dieses Instrument eines Investitionsgerichtshofes alle bestehenden Investitionsabkommen der EU und ihrer Mitgliedstaaten ersetzen.

Der Entwurf wird aktuell im Europäischen Parlament und in den EU-Mitgliedstaaten, also auch in Deutschland, diskutiert, bevor die Europäische Kommission sich auf ein endgültiges Instrument festlegt. Dies soll Ende des Jahres in die TTIP-Verhandlungen eingebracht werden.

Ich möchte Ihnen abschließend versichern, dass es mit der SPD nur Abkommen geben wird, welche den Interessen der Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft unseres Landes nützen.

Freundliche Grüße
Norbert Spinrath