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Norbert Müller
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Frage von Peter G. •

Frage an Norbert Müller von Peter G. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Müller,

als Vorsitzender der Kinderkommission im Deutschen Bundestag fordern Sie ein Verbot zur Rekrutierung Minderjähriger durch die Bundeswehr.

Was mich bewegt ist die Frage, ob es Ihnen bzw. Ihrer Partei wirklich
um den Schutz von Kindern und Jugendlichen geht, wenn Sie einerseits die legitime Vorgehensweise der Bundeswehr im Rahmen der eng gesteckten UN- KRK- Vorgaben kritisieren, andererseits aber offensiv dafür eintreten, das PKK- Verbot aufzuheben [2]. Gleichzeitig unterstützt Ihre Partei einerseits massiv den militärischen Arm der PKK in Syrien, die YPG / YPJ [3], während sie andererseits sogar Geld für deren Waffen sammelt [4].

Human Rights Watch [5] und das ´Europäische Zentrum für Kurdische Studien´ [6] haben erst jüngst darauf hingewiesen, dass die PKK und die YPG sowie die YPJ Kinder zwischen 12 und 15 Jahren- ohne Information ihrer Eltern- zwangsrekrutiert. Mehrere hundert Fälle sind dokumentiert.

Meine Frage an Sie:

Weshalb kritisiert DIE LINKE die durch das 2. Fakultativprotokoll der UN-
KRK erlaubte Eingliederung 17jähriger Berufsanfänger in die demokratisch legitimierte parlamentarische Streitmacht der Bundesrepublik, während sie die
Zwangsrekrutierung türkischer und kurdischer Kinder von 12, 13 oder 14 Jahren ( also "echten Kindersoldaten" ) durch eine massiv gegen Menschenrechte verstoßende [7], irreguläre Militärmiliz wie die durch die PYD gesteuerte YPG / YPJ [8] kritiklos hinnimmt und durch die angestrebte Aufhebung des PKK- Verbots sogar noch unterstützt?

Quellen:

[1] http://bit.ly/1UXu1Lp

[2] http://bit.ly/1QXYqu3

[3] Zitat Sevim Dagdelen: "Meine Solidarität gehört den kurdischen Frauenbataillonen..." ( Rede im Bundestag vom 17.02.2016 )

[4] http://bit.ly/1nlhsOW

[4] http://on.fb.me/1STaLAX

[5] http://bit.ly/1Ovvche

[6] http://www.kurdwatch.org/?aid=3514&z=de

[7] http://bit.ly/21vqvdA

[8] http://www.dielinke-nrw.de/politik/aktuelles/faq_zu_kobani/

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Gross,

vielen Dank für ihre E-Mail und die damit verbundenen Fragen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind auf der Welt noch immer 250.000 Kindersoldaten im Einsatz. Sie werden in den Kriegen der Erwachsenen in tödliche Kämpfe geschickt, müssen lebensgefährliche Botengänge übernehmen oder Sklavendienste leisten, weibliche Kindersoldaten werden häufig Opfer sexualisierter Gewalt. Kinder., egal wo sie auf de Welt leben, sollen meiner Meinung nach lernen, spielen und lachen.

Als einen Schwerpunkt meiner Vorsitzendenzeit habe ich mir das Thema: Bundeswehr in Schulen und Kindertagesstätten gewählt.
Kaum eine Ausbildungsmesse ohne Bundeswehrstand; ab der 9 Klasse werben Jugendoffiziere in Schulen; jährlich beginnen 1.200 minderjährige Rekruten bei der Bundeswehr ihre militärische Ausbildung; millionenschwere Image- und Rekrutierungskampagnen: Nicht erst seit der Abschaffung der Wehrpflicht versucht die Bundeswehr durch Informationsveranstaltungen und gezielte Kampagnen jungen Menschen für den Dienst an der Waffe zu gewinnen. Die Kinderkommission wird sich der Frage stellen, in welchem Umfang und mit welchen Auswirkungen die Bundeswehr junge Menschen umwirbt, militarisiert und rekrutiert.
Die Bundeswehr greift auf immer mehr Kindersoldaten zurück. Die Anzahl der zum Diensteintritt minderjährigen Soldaten hat sich von 689 im Jahr 2011 auf 1.515 im Jahr 2015 mehr als verdoppelt. Damit sind 7,4 Prozent der neu rekrutierten Soldatinnen und Soldaten unter 18 Jahren. Minderjährige nehmen an der regulären Ausbildung von Soldaten inklusive dem Training an der Waffe teil. Der Unterschied zu volljährigen Soldaten besteht darin, dass sie den Dienst nur mit Zustimmung der Eltern antreten dürfen und nicht im direkten Waffeneinsatz eingesetzt werden dürfen.
Die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber wie jeder andere. Das betrifft nicht nur das Betätigungsfeld wie z.B. die Ausbildung an der Waffe. Das Jugendarbeitsschutzgesetz gilt für minderjährige Soldatinnen und Soldaten nicht. Dürfen Jugendliche unter 18 Jahren maximal 40 Stunden die Woche arbeiten gilt für die Kindersoldaten eine regelmäßige Arbeitszeit von 41 Stunden. Kindersoldaten haben auch keine eigene Interessensvertretung in der Bundeswehr - in normalen Betrieben gibt es dafür eine Jugendauszubildendenvertretung.
Aber auch in der Unterbringung gibt es Defizite. Es kann nicht ausgeschlossen werden, so die Antwort der Bundesregierung, "dass es nicht immer zu einer Unterbringungstrennung kommt." Damit wird verklausuliert zu verstehen gegeben, dass minderjährige und volljährige Soldaten mitunter auch in einer Schlafstube untergebracht sind - Ein Problem auf das auch das Bündnis Kindersoldaten immer wieder hinweist. Es stellt sich die Frage nach Schutzkonzepten für Minderjährigen, wie sie bspw. der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs für alle Einrichtungen fordert, an denen sich Minderjährige aufhalten. Zu diesen Orten zählt auch die Bundeswehr, wie sie selbst zugibt.
Im Jahr 2015 haben insgesamt 800 Wehrdienstleistende, die als Minderjährige in der Bundeswehr den Dienst angetreten haben, der Kaserne den Rücken zugewandt. Wer sich dazu entscheidet, den so genannten freiwilligen Wehrdienst beenden zu wollen, kann dies nur innerhalb der ersten sechs Monate, die Probezeit genannt werden, problemlos - dies waren im Jahr 2015 281 der minderjährig zum Dienst angetretenen. Der überwiegende Teil - nämlich 519 - hat sich erst nach Ablauf der Probezeit zu diesem Schritt entschlossen. Wer aber nach Ablauf der Probezeit den Wehrdienst beenden möchte, ist auf das Entgegenkommen der Bundeswehr angewiesen. "Eigenmächtige Abwesenheit" vom Dienst ist nach dem Wehrstrafgesetz unter Strafe gestellt. Gegen wie viele der zum Dienstantritt minderjährigen Rekruten deswegen Verfahren eingeleitet wurden, kann die Bundesregierung nicht sagen.
Dies ruft wiederum den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes auf den Plan. Bei Minderjährigen sei somit die Freiwilligkeit des Wehrdienstes in Frage gestellt, womit ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention vorliege. Dies mahnte der UN-Ausschuss zuletzt im Januar 2014 an und fordert die Bundesregierung wiederholt auf das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben sowie die an Kinder und Jugendliche gerichtete Werbung zu unterbinden.
Die steigende Anzahl an Kindersoldaten in der Bundeswehr ist ein Skandal. Junge Menschen werden mit falschen Erwartungen geködert und verlassen sie scharenweise. Die LINKE fordert den sofortigen Rekrutierungsstopp Minderjähriger inkl. Der Einstellung sämtlicher an Jugendliche gerichteter Werbemaßnahmen. Für die Bundeswehrabbrecher brauchen wir statt Strafverfahren ein Integrationsprogramm, damit sie nach dem Kasernenleben leichter in die Gesellschaft und eine zivile Ausbildung finden.
Und nun zur PKK. Wie oben bereits beschrieben, arbeite ich politisch dafür, dass kein Kind der Welt Krieg und Gewalt direkt oder indirekt erleben muss.

Das Verbot in Deutschland ist ein Hindernis auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes. Durch das Verbot und den damit verbundenen Terror-Generalverdacht wird die legitime Arbeit vieler zivilgesellschaftlicher kurdischer Organisationen in Deutschland erschwert und teilweise kriminalisiert.

Ich hoffe, ich konnte ihre Fragen beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Müller