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Frage von Sandro S. •

Frage an Norbert Müller von Sandro S. bezüglich Finanzen

Der Schulterschluss zwischen Hitler und Hindenburg in der Garnisonkirche ging als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte ein und wurde als „Geburtsstunde des Dritten Reiches“ gefeiert. Kürzlich gab Kulturstaatsminister Neumann bekannt, 12 Mio € aus seinem Etat für den Wiederaufbau dieser Kirche bereitzustellen. Nachdem eine Gruppe um den Offizier Max Klaar 1991 das Glockenspiel nach Potsdam gebracht hatte, isolierte sie sich mit rechtsextremen Positionen. Die Evangelische Kirche kündigte daher selbst den spendenfinanzierten Wiederaufbau der Garnisonkirche als Versöhnungszentrum an. Damit konnten Mehrheiten in der Synode und in der SVV gewonnen werden. Allerdings blieben die Spenden aus. Derzeit sind nicht einmal 5 % der erforderlichen Bausumme (über 100 Mio)vorhanden. Auch mit den angekündigten Bundesmitteln könnte lediglich die Fundamentebene gebaut werden. Das Land Brandenburg, die Stadt Potsdam und die Evangelische Kirche haben eine Beteiligung an den Aufbaukosten bereits öffentlich ausgeschlossen. Im städtischen Bürgerhaushalt belegte die Forderung „Kein städtisches Geld für den Aufbau der Garnisonkirche“ mit einem Rekordpunktergebnis Platz 1. Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden sprach sich 2013 gegen den Aufbau der Garnisonkirche aus. Inzwischen wird unter Bruch aller Zusagen eine spätere Nutzung als Militärkirche und eine Finanzierung aus Bunddesmitteln angestrebt. Das Versöhnungskonzept ist von den Internetseiten verschwunden.

Vor diesem Hintergrund hat sich unsere Bürgerinitiative entschlossen, den zur Bundestagswahl im September 2013 kandidierenden Personen die folgenden
Fragen vorzulegen.

1. Ist der Aufbau der Garnisonkirche aus Ihrer Sicht ein Projekt von nationaler
Bedeutung?

2. Werden Sie im Falle Ihrer Wahl die Bereitstellung von Bundesmitteln für
die Garnisonkirche unterstützen?

3. Sind Sie der Meinung, dass Parteien die Bürgervoten und Ergebnisse
aus Bürgerbeteiligungsverfahren wie dem Bürgerhaushalt respektieren und umsetzen sollten?

Portrait von Norbert Müller
Antwort von
DIE LINKE

Lieber Sandro Szilleweit, liebe BI,

ich kann die Fragen kurz beantworten:

1.) Nein, das ist kein "Projekt von nationaler Bedeutung" - zumindest nicht für mich.

2.) Nein, ich bin strikt dagegen, den Wiederaufbau der Kirche aus Steuermitteln zu finanzieren. Im Übrigen finde ich es bemerkenswert, dass Spenden an die Wiederaufbaustiftung steuerlich absetzbar sind. Bisher sind nur minimal private Mittel geflossen, auf direkten und indirekten Wegen aber schon ohne die angekündigten Bundesmittel Millionen an öffentlichen Geldern.

3.) Ja, zu mehr direkter Demokratie gehört es auch, Bürgervoten zu berücksichtigen.

Meine Position zum Wiederaufbau der Garnisonkirche ist bekannt. Ich finde den Wiederaufbau historisch falsch, stadtplanerisch realitätsfremd und finanziell absurd - kurz: Politisch nicht vertretbar.

Historisch falsch ist er nicht primär wegen des Hitler-Hindenburg-Handschlages. Die Naziinszenierung steht für mich nicht im Mittelpunkt, weil sie eben kein "Mißbrauch" der Kirche war, sondern aus Sicht der Naziführung und der revanchistischen Rechten in der Weimarer Republik völlig folgerichtig gewesen ist. Spätestens seit 1919 war die Garnisonkirche Pilgerort für die extreme Rechte, für Kriegsschuldleugner und Monarchisten. Potsdam hat keinen Bedarf an einer Rekonstruktion dessen.

Stadtplanerisch absurd ist es, in einer Stadt, in der es so an Wohnraum und sozialer Infrastruktur mangelt, einen völlig überdimensionierten Sakralbau ins Zentrum zu setzen und dafür noch den ständigen Verkehrsinfarkt durch Verengung der Breiten Straße zu betreiben.

Und schließlich finanziell absurd, weil für diese Millionen in der Stadt vieles sinnvolles für die Menschen gemacht werden könnte, dass sich nicht nur eine Minderheit wünscht.

Mehr zum Thema von mir:

http://www.norbert-mueller.net/presse/artikel/99-der-tag-von-potsdam-mahnt-zum-frieden
http://www.norbert-mueller.net/presse/presseerklaerungen/111-presseerklaerung-studierendenwohnheim-statt-pseudohistorische-phantastereien
http://www.norbert-mueller.net/presse/presseerklaerungen/123-bundesmittel-fuer-die-garnisonkirche-billiger-wahlkampftrick

Beste Grüße
Norbert Müller