Frage an Norbert Lins von Lutz D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Linz,
als Vorsitzender des Agrarausschuss im EU-Parlament und Mitglied der EVP-Fraktion haben Sie einen entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsgestaltung der EU Agrarpolitik.
Bei 3/4 der Agrarsubventionen gilt das Flächenprinzip: Je mehr Land ein Betrieb besitzt, desto mehr Geld bekommt dieser. Jährlich schließen ca. 4000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland, die dem Wettbewerb nicht standhalten können. EU-Agrarpolitik führt zur Industrialisierung der Landwirtschaft. Klima, Artenvielfalt und Tierwohl bleiben seit langem auf der Strecke.
Die Zahl der Bürger, die dieses System nicht länger unterstützen wollen, wächst erfreulicherweise stetig. Auch in meiner Familie haben wir den Fleischkonsum stark reduziert und konsumieren fast nur noch Agrarprodukte mit Bio-Siegel oder aus einer möglichst artgerechten Haltung. Manche dieser Produkte sind leider oft vergriffen, weil wohl das Angebot seitens der Landwirtschaft den Bedarf noch nicht deckt.
SIE können in Ihrem Amt maßgeblich zu einer klima- und artenschonenden Agrarpolitik beitragen:
Agrarpolitik muss Landwirte beim Klima- und Artenschutz unterstützen – besonders kleinere Betriebe.
Steuergelder müssen gesunde Lebensmittel, klimaschonende Vorgänge und Erhalt der Artenvielfalt fördern.
58 Milliarden Euro Agrar-Subventionen in die richtige Richtung geleitet können im Sinne des Klima- und Artenschutzes eingesetzt werden. Das macht einen riesen Unterschied für uns alle und zukünftige Generationen.
Ich habe erwachsene Kinder, die auch über ihre Familienplanung nachdenken. Die Umweltprobleme, die meine Generation und die der Eltern nicht verhindert haben, machen die Entscheidung für eigene Kinder heute schwieriger.
Meine Frage und Bitte zugleich:
"Bekennen Sie sich zu einer Agrarwende, die Subventionen vorrangig nach Leistungen für Klima- und Artenschutz verteilt ?”
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Rheinpfalz-Kreis (Obst- und Gemüseanbauregion)
Sehr geehrter Herr Dreyer,
haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Die aktuelle GAP teilt sich in zwei Säulen auf: Die Direktzahlungen an die Landwirte für die Fläche (I. Säule; teils hier schon unter Einbeziehung von Umweltmaßnahmen) und die regional angepassten Förderprogramme zur Entwicklung des ländlichen Raums und Agrarumweltmaßnahmen (II. Säule). Ich begrüße die Beibehaltung der bisherigen und bewährten Zwei-Säulen-Struktur. Die Direktzahlungen aus der ersten Säule sind keine Geschenke an unsere europäischen Landwirte. Vielmehr sind sie Ausgleich für die höheren Standards (insbesondere im Umweltbereich), welche die Landwirte im weltweiten Vergleich einhalten müssen, um hochqualitative Lebensmittel zu angemessenen Preisen produzieren zu können.
Schon derzeit erhalten Landwirte die volle Höhe der Zahlungen nur, wenn sie Klimaschutzvorgaben wie die Erhaltung von Dauergrünland beachteten. Künftig sollen nach den Vorgaben der Europäischen Kommission ein weiterer großer Prozentsatz der Direktzahlungen an Anforderungen geknüpft werden, die noch darüber hinausgehen. Diese Öko-Regelungen (eco schemes) sind Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in ihren Strategieplänen selbst festlegen müssten. Davon abgesehen können Gelder aus der zweiten Säule noch zielgerichteter für Programme reserviert werden, die beispielsweise den Anbau von Zwischenfrüchten fördern. Dies begünstigt beispielsweise den Aufbau von Humus und damit die Bindung von Kohlendioxid im Boden.
Wir müssen dafür sorgen, dass alle Landwirtschaftsformen in Europa überleben können, auch die kleinen. Die Erweiterung des Modells der stärkeren Förderung der ersten Hektare ist ein Modell, welches hier ohne großen bürokratischen Aufwand kleinere Betriebe zukünftig weiterhin fördern kann. Momentan wird dies in Deutschland angewandt. Nach einer bestimmten Hektaranzahl - in Deutschland bemisst sich dies anhand der Durchschnittsgröße der landwirtschaftlichen Betriebe - ist die Förderung für alle Betriebe gleich. Für die kleinstrukturierte Landwirtschaft und die familiengeführten Betriebe wäre eine sehr großzügige Erweiterung dieses Modells der bessere Weg. Dieses System sollte meines Erachtens ausgebaut werden.
Prinzipiell sind mehr finanzielle Mittel für Agrarumweltmaßnahmen begrüßenswert. Wir müssen da aber die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe beachten. Wenn in Deutschland nur in Umweltmaßnahmen investiert wird, in anderen Ländern aber in Agrarinvestitionen (gerade die Osteuropäer pochen darauf) und diese Betriebe uns dann mit billigeren Produkten beliefern, wäre das eine große Bürde für die heimischen Betriebe. Denn letztlich bestimmt auch zu großen Teilen der Verbraucher an der Ladentheke darüber, welche Landwirtschaftsform Erfolg hat.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Lins