Frage an Norbert Brackmann von Sebastian L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Brackmann,
kennen Sie das Positionspapier "Unsere Demokratie braucht eine starke Zivielgesellschaft" ?
( https://www.amnesty.de/sites/default/files/2020-11/Amnesty_Verbaendepapier_Gemeinnuetzigkeitsrecht_November2020.pdf )
Wie wollen sie im Plenum, das Gemeinnützigkeitsrecht verbessern und welche Forderungen teilen Sie nicht?
Vielen Dank für eine Antwort und bleiben Sie gesund.
MfG S. L.
Sehr geehrter Herr Lindemann,
vielen Dank für Ihre Anfrage und das ebenfalls beigefügte Positionspapier „Unsere Demokratie braucht eine starke Zivilgesellschaft“.
Das Jahressteuergesetz 2020 enthält nicht nur viele Verbesserungen für das Ehrenamt, sondern auch Regelungen zur Gemeinnützigkeit. So wird der Katalog der Zweckbetriebe um solche, die sich der Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Geflüchteten verschrieben haben oder die der Fürsorge für psychische und seelische Erkrankungen gewidmet sind, erweitert. Auch den Zweckkatalog des § 52 AO ergänzen wir um die Bereiche „Klimaschutz“ „Freifunk“ und „Ortsverschönerungen“.
Darüber hinaus gilt bei der Frage der politischen Betätigung von Vereinen weiterhin eine differenzierte Betrachtung wie folgt:
Schwerpunktmäßige politische Betätigung von Vereinen
Gemeinnützige Körperschaften dürfen sich schon heute (in einem begrenzten Umfang) politisch betätigen. Der Anwendungserlass zur AO sieht dies vor, wenn nach den Verhältnissen im Einzelfall die gemeinnützige Tätigkeit zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund treten.
Das bedeutet: Die Grenzen der allgemeinpolitischen Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft sind noch gewahrt, wenn die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, was das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert. Soweit eine Körperschaft danach politische Zwecke gemeinnützig verfolgen kann, muss sie sich zudem "parteipolitisch neutral" verhalten. Dies hat der BFH in ständiger Rechtsprechung bestätigt.
Die Gemeinnützigkeit ist hingegen zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt.
Steuerbegünstigung bei untergeordneter politischer Betätigung
Ihrem beigefügten Positionspapier ist u.a. die Forderung zu entnehmen, für Vereine, die sich für ihren gemeinnützigen Zweck auch politisch engagieren, eine gesetzliche Regelung zu schaffen, sodass sichergestellt ist, dass deren politisches Engagement ausdrücklich steuerlich unschädlich ist.
Der Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU-Fraktion sind aus der Praxis aktuell keine Vollzugsprobleme bekannt, wenn sich steuerbegünstigte Körperschaften innerhalb ihrer Satzungszwecke politisch äußern und diese Betätigung von untergeordneter Bedeutung ist (also dem Satzungszweck dient, bzw. um dessen Zwecks willen erfolgt). weil die Finanzämter durch den Anwendungserlass zur Abgabenordnung verbindlich dazu angehalten werden, politische Betätigung nicht zu beanstanden, wenn sie dem Vereinszweck dient. In Ziffer 16 zu § 52 AO ist dies wie folgt nachzulesen:
„Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus. Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt. Eine Körperschaft fördert deshalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entscheidend ist, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft dient.“
In den parlamentarischen Verhandlungen wurde deutlich, dass das politische Engagement gemeinnütziger Organisationen schon nach bestehendem Recht keine Gefahr für die Gemeinnützigkeit ist. Auch ohne eine Ergänzung der Abgabenordnung sei die Rechtslage zum politischen Engagement gemeinnütziger Organisationen rechtlich klar und eindeutig.
Daher besteht aus fachlicher Sicht kein Bedarf für eine gesetzliche Änderung. Auch das Urteil des BFH zu „BUND“ vom August 2017 bestätigt die bisherige Verwaltungspraxis, die es steuerbegünstigten Körperschaften erlaubt, sich bezogen auf den von Ihnen geförderten Satzungszweck politisch zu äußern, solange dies parteipolitisch neutral ist.
Für die Praxis ist das Vorgehen klar: Es handelt sich weniger um eine gesetzgeberische Notwendigkeit, sondern um eine individuelle Entscheidung auf Vereinsebene; m.a.W: Es steht jedem Verein frei, hier seine Satzung entsprechend fortzuschreiben, sofern er die dafür notwendigen Mehrheiten mobilisiert. Ein Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht hingegen nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann