Frage an Norbert Brackmann von Peter J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Brackmann,
der FAZ vom 30.12.13 war zu lesen, dass drei Fraktionskollegen von Ihnen ihre Sitze in Ausschüssen, deren Mitglied oder Obmann sie in der letzten Legislaturperiode waren, nicht wieder erhalten haben, obgleich sie ihnen nach dem Senioritätsprinzip zugestanden hätten. Es wird erklärt, dass mit den Abgeordneten kein Gespräch stattgefunden hat und es wird die Vermutung geäußert, dass die Abgeordneten aufgrund ihrer kritischen Haltung zur Europapolitik der Frau Dr. Merkel und entsprechendem Abstimmungsverhalten "kaltgestellt" wurden.
Hat sich dieser Vorgang wie beschrieben zugetragen?
Wie bewerten Sie das Verhalten ihres Fraktionsvorsitzenden im Hinblick auf die grundgesetzlich verankerte Gewissensfreiheit eines Abgeordneten?
Haben wir also nur noch " Ja-Sager" in den Ausschüssen, weil kritische Auseinandersetzung nicht gewünscht und ein Abstimmungsverhalten, das abweichend ist, nicht geduldet wird?
Wie bewerten Sie diese Situation in Hinblick auf das Verhältnis von Legislative zur Exekutive?
Vielen Dank und mit freundlichem Gruß
Ihr Peter Jussen
Sehr geehrter Herr Jussen,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie selbst schreiben handelt es sich bei der von Ihnen kritisierten Aktion um geäußerte Vermutungen, die lediglich die Betroffenen bestätigen oder dementieren könnten. Insoweit habe auch ich keine weitergehenden Erkenntnisse.
Zu den übrigen Fragen habe ich allerdings eine klare Position. Das Parlament nimmt neben seiner Funktion als Gesetzgeber eine Kontrollfunktion gegenüber der Exekutive war. Ich bin sicher, dass jeder Abgeordnete sein Mandat als freies Mandat, d.h. als nur seinem Gewissen gegenüber verantwortlich versteht. Nur deshalb finden Sie z.B. zu vielen Themen sehr unterschiedliche Äußerungen einzelner Mandatsträger ein und derselben Fraktion. Dies dokumentiert die Meinungsvielfalt. In besonderer Weise kritisch gegenüber der Regierung ist der Haushaltsausschuss aufgestellt. Jedes Jahr wird dort der Regierungsentwurf des Haushaltsplanes zig-, wenn nicht hundertfach geändert oder mit besonderen Maßgaben versehen. Gleiches gilt unterjährig auch bei größeren Ausgaben.
Die Kernfrage ist also nicht, ob es unterschiedliche Meinungen gibt, sondern wie man mit ihnen umgeht. Dafür gibt es in einer Demokratie klare Regeln. Und das ist auch gut so! Und so wie Mehrheiten Minderheitsvoten akzeptieren müssen, müssen auch Minderheiten Mehrheiten akzeptieren. Wenn ich mich entschieden habe in einer Partei Mitglied zu sein und der Fraktion dieser Partei anzugehören, muss ich auch die dort herrschenden Mehrheiten respektieren. Nur so ist zu gewährleisten, dass Parteien und Fraktionen gegenüber dem Souverän, also dem Volk, ein klares Bild abgeben, das sich von anderen Parteien unterscheidet und damit dem Bürger erst eine klare Wahlalternative aufzeigt. Deshalb habe auch ich in der Fraktion bereits mehrfach anders gestimmt als die Mehrheit. Im Parlament hingegen sollten tunlichst alle Abgeordneten einer Fraktion zusammen stehen. Denn nicht jede Sachfrage ist eine Gewissensfrage!
Zu Ihrer Äußerung „kritische Haltung zur Europapolitik der Fr. Dr. Merkel“ möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht die Politik einer einzelnen Person ist, sondern die vieler Mehrheiten. Kein Thema wurde in den vergangenen 4 Jahren so intensiv diskutiert. In zahlreichen Sitzungen, Debatten und Abstimmungen auf europäischer und nationaler Ebene wurden alle wesentlichen Punkte der Euro-Rettung bis ins Detail beraten. Immer hat es ein breite Mehrheit gegeben. Bis zum heutigen Tag hat diese Politik die Stabilität in Europa erhalten, den Deutschen trotz der Krise in anderen Ländern einen bemerkenswerten Wohlstand beschert und in den betroffenen Ländern zu verbesserten Rahmenbedingungen geführt.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann