Frage an Norbert Brackmann von Richert R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo, Herr Brackmann,
ich habe mich in den letzten Tagen mit der Abstimmung zur Mandatsverlängerung im Süd Sudan auseinander gesetzt. Sie, als Teil meiner Vertretung haben zusammen mit Dr. Scheer (SPD) und Dr. Notz (GRÜNE) für diese Verlängerung gestimmt.
Erstaunlich war, dass die LINKE geschlossen mit fast 95% Beteiligung gegen dieses Mandat gestimmt haben.
Der Grund für diese Verlängerung, laut Regierungsantrag:
"...Der internationalen Gemeinschaft gehe es vor allem darum ein mögliches Abgleiten Südsudans in einen gescheiterten Staat im Rahmen einer gefährdeten Region mit negativen regionalen sowie globalen Folgen zu verhindern."
Offenbar sehen die LINKEN diese Gefahr nicht. Bitte erklären Sie mir, wie die Bundeswehr in Zusammenarbeit mit örtlichen Militärs, die wie bekannt ist tausende Menschen in diesem Land ermordet hat, für Frieden sorgen soll?
Es wurden seit 2005 mehrere Millionen Euro investiert. Begründen Sie bitte warum Sie in diesem Konflikt auf Waffen und Soldaten statt auf Schulen Krankenhäuser und Infrastruktur setzen.
Außerdem bitte ich Sie kurz zu erklären welche vor allem globalen Folgen für Deutschland und deren "Verbündete"(Ich selbst betrachte mich mit zunächst mit allen Menschen verbündet) auftreten.
Mit freundlichen Grüßen
Richert Ruthenberg
Sehr geehrter Herr Ruthenberg,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Lassen Sie mich im Folgenden dazu Stellung beziehen.
Der deutsche Beitrag der Bundeswehr für den Einsatz der Vereinten Nationen im Südsudan (UNMISS) ist Teil der Bemühungen der Bundesregierung und der Verein-ten Nationen um eine dauerhafte Konfliktbeilegung und Friedenskonsolidierung in der ostafrikanischen Region. Er steht im Zusammenhang zu der Beteiligung deutscher Streitkräfte an der VN-Friedensmission im Nordsudan in der Region Darfur (UNAMID), zu dessen Fortsetzung ich in der Bundestagssitzung am 28. November 2013 ebenfalls mit "Ja" gestimmt habe.
Der über Jahrzehnte immer wieder aufflammende Bürgerkrieg zwischen Sudan und Südsudan war begleitet von humanitären Katastrophen und mehr als zwei Millionen Toten, worunter in der Mehrheit Zivilisten waren. Der Darfur-Konflikt im Westen des Sudan eskalierte 2003 zu einem Zeitpunkt, als die Beilegung des Nord-Süd-Bürgerkrieges unter Vermittlung der internationalen Gemeinschaft in greifbare Nähe rückte. In Darfur starben in kürzester Zeit mehr als 300.000 Menschen. In seiner Grausamkeit kaum zu überbieten, zählt der Darfur-Konflikt zu den größten humanitären Katastrophen weltweit. Die Lage in Darfur sowie die Lage im Südsudan bleiben auch nach den jüngsten Friedensprozessen sowie der erfolgreichen Unabhängigkeit des Südsudans im Jahr 2011 weiter angespannt. Die Friedensmissionen in der Region basieren auf Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (zuletzt Folgeresolutionen 2109 (2013) vom 11. Juli 2013 sowie 2133 (2013) vom 30. Juli 2013). Zudem ist die Afrikanische Union an den Einsätzen beteiligt. Damit sind die deutschen Soldaten Teil einer völkerrechtlich umfassend legitimierten Intervention der internationalen Staatengemeinschaft.
Meines Erachtens ist es irreführend, einen Gegensatz zwischen den Einsatz der VN-Sicherheitskräfte und den Wiederaufbaumaßnahmen aufzumachen. Die VN-Missionen haben jeweils das Ziel ein stabilisierendes Element in der jeweiligen Region zu gewährleisten, um die humanitären Helfer sowie die Zivilisten zu schützen und bei der Umsetzung des Darfur-Friedensabkommens sowie bei der Stabilisierung des Südsudans zu helfen. In Darfur hat Deutschland bei der Wiederaufbaukonferenz in Doha am 7. April 2013 insgesamt Mittel von 16 Mio. Euro zugesagt. Im Jahr 2013 belief sich die humanitäre Hilfe auf bislang 5 Mio. Euro, wobei neben Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheits- und Ernährungslage auch Projekte der Fluthilfe und Katastrophenvorsorge finanziert wurden. Deutschland stellt 2013 zwei Mio. Euro zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und Maßnahmen der Versöhnung bereit. Dasselbe gilt für die Stabilisierung des Südsudans. Zur Förderung der Bundesregierung Südsudan hat Deutschland im Juli 2013 19,5 Mio. Euro zugesagt. Hierbei geht es insbesondere um den Aufbau staatlicher und rechtsstaatlicher Strukturen sowie um den Aufbau der städtischen Wasserversorgung. Zudem leistet Deutschland einen Beitrag zur Ernährungssicherung durch eine Zusammenarbeit im Landwirtschafts-sektor. Daneben laufen eine Vielzahl anderer humanitärer Projekte, die jeweils durch das Auswärtige Amt und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenar-beit (GIZ) GmbH umgesetzt werden. Dazu zählt die humanitäre Hilfe von Nichtregierungsorganisationen wie die Flüchtlingsversorgung sowie die Basisversorgung.
Die globalen Folgen der Krise ergeben sich in erster Linie aus der humanitären Verantwortung der internationalen Gemeinschaft. Anders ausgedrückt: Die internationale Gemeinschaft will nicht ein zweites Mal bei einer humanitären Katastrophe im Sudan zuschauen müssen. Daneben gibt es globale Sicherheitsinteressen, die darauf gerichtet sind, sogenannte failed states zu verhindern. Schließlich gibt es das Entwicklungsinteresse im Sinne der heimischen Bevölkerung sowie des internationalen Handels, die reichen Ressourcen im Land nicht weiter brach liegen zu lassen, sondern wirtschaftlich zu nutzen.
Meines Erachtens kann man darüber streiten, wie man genau den Konflikt nachhaltig befriedigen kann. Das Vorliegen einer internationalen Verantwortung kann ich jedoch nicht hinterfragen. Klar ist, dass die humanitäre Krise ohne eine Lösung des dahinter stehenden politischen Konfliktes nicht nachhaltig gelöst werden kann. Derartige Initiativen finden jedoch statt. So hat die Afrikanische Union einem "High Level Panel for Darfur" unter Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki die Aufgabe übertragen, nach Abschluss der Friedensverhandlungen die Umsetzung des Friedensabkommens in Darfur zu garantieren und Wege zur Vereinbarung von Versöhnung und Gerechtigkeit ("transitional justice") zu finden. Auch zwischen Nord und Süd finden weiterhin Vermittlungen statt, um ungeklärte Grenzfragen zu klären.
Vor diesem Hintergrund und wegen der Legitimierung der Einsätze durch die Internationale Staatengemeinschaft habe ich der Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte zugestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann