Frage an Norbert Brackmann von Karin R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Brackmann,
der ESM soll bereits im Juli diesen Jahres in Kraft treten! Wir können nur hoffen, dass die Politiker diesmal besser vorbereitet zur Abstimmung gehen. Wie aus der Presse zu entnehmen war, wussten einige Abgeordnete kurz vor der Abstimmung zum EFSF nicht, für was sie ihre Stimme abgeben und ob es sich um Millionen oder um Milliarden Euro EU-Hilfen handelt.
Mich verwundert es schon, dass weder Politiker noch Journalisten kaum den Versuch
unternehmen, die Bürger heute über solche wichtigen Pläne umfangreich zu informieren.
Trifft Folgendes wirklich für den ESM zu?
- Die Kündigung des Fiskalpaktes oder des ESM ist nicht möglich.
Auch bei Neuwahlen kann kein neues Parlament aus dem ESM aussteigen.
- Der ESM, die ausführenden Organe, sein Eigentum, seine Finanzmittel, seine
Vermögenswerte und seine Akteure genießen umfassende gerichtliche Immunität.
(Der ESM kann klagen, aber nicht verklagt werden.)
- Die Unterlagen bleiben geheim. Unabhängige Prüfungen und Kontrollen für den ESM sind nicht vorgesehen.
- Die ESM - Bank - Geldoperationen sind umschuldende Staatsfinanzierung schwacher
Euroländer zu Lasten der Bürger der starken Euroländer, insbesondere Deutschlands.
(EUROBONDS.) Die Bankenhilfe fließt an die Gläubiger der Not leidenden Banken (für Alt- und Neuschulden).
- Die ESM - Bank kann die Finanzgeschäfte jeder Art und Höhe betreiben.
Der Hauptgläubiger ist Deutschland.
Wer hat solche knallharten Finanzpläne ausgearbeitet? Brauchen wir gleich ein „gemeinsames Konto“ für die EU? Wir Bürger würden uns doch lieber eine einheitliche europäische Außenpolitik wünschen. Mit welchem Recht können die Politiker über soviel Milliarden € Bürgschaften, Risiken und Schulden bestimmen? Wer wird nach dem Inkrafttreten des ESM das Geld drucken, die Bank ESM oder EZB oder die Länder ? Z. B.: Das EU-Mitgliedsland und Nachbarland Polen hat eine umgerechnete Staatsverschuldung von 192,7 Milliarden €, Deutschland 2 Billionen €.
Sehr geehrte Frau Robanske,
vielen Dank für Ihr Schreiben. Gerne beantworte ich Ihre Fragen.
1. Die völkerrechtlichen Verträge zum ESM und Fiskalpakt sind bindend und damit in der Tat nicht kündbar. Nur so stellen wir sicher, dass auch zukünftig in ganz Europa der Weg der Konsolidierung fortgeführt wird.
2. Der ESM und seine Mitarbeiter genießen wie andere internationale Organisationen und deren Mitarbeiter umfassende Immunität. Ziel der Regelung ist es, die Liegenschaften und diplomatisches Personal vor einzelstaatlicher Willkür zu bewahren. Dennoch wird der ESM durch den Gouverneursrat, also durch die Vertreter der Mitgliedsstaaten kontrolliert.
3. Aufgrund der Volatilität der Finanzmärkte ist der erfolgreiche Aufkauf von Staatsanleihen durch den ESM in vielen Fällen nur unter Geheimhaltung möglich. Nach Artikel 27 bzw. 29 des ESM-Vertrages wird sowohl ein Jahresbericht als auch ein extern geprüfter Jahresabschluss veröffentlicht. Darüber hinaus wird nach Artikel 30 ein unabhängiger Prüfungsausschuss Prüfberichte erstellen.
4. In der Regel wird der ESM betroffenen Staaten günstige Kredite gewähren für die alle anderen EU-Staaten gemeinschaftlich gemäß EZB-Schlüssel haften. Im Gegenzug muss das Land Kürzungen und Reformen durchsetzen, um perspektivisch wieder eine Schuldentragfähigkeit herzustellen. Nur so kann die Gemeinschaftswährung, von der Deutschland in ganz besonderem Maße profitiert, auch zukünftig gesichert werden. Im Übrigen profitiert Deutschland von hohen Zinsen anderer EU-Staaten und erhält derzeit Kredite zu annähernd null Prozent Zinsen. Gemeinschaftliche Staatsanleihen, sogenannte „Eurobonds“, lehnen wir grundsätzlich ab. Im Gegensatz zu ESM Krediten hätten wir nach derzeitiger Rechtslage bei gemeinschaftlichen Staatsanleihen eben kein Mitbestimmungsrecht.
5. Gemäß EZB-Schlüssel haftet Deutschland für ca. 28% der durch den ESM ausgegebenen Kredite. Damit ist Deutschland größter Gläubiger, besitzt aber dem entsprechend auch Stimmgewicht im Gouverneursrat. So ist der ESM bei der Kreditvergabe strikt an das Votum des Gouverneursrates und bei der Art der Finanzhilfe strikt an den ESM Vertrag selbst gebunden. Über Höhe und Art der Finanzhilfen kann der ESM nicht eigenwillig entscheiden. Durch die Festschreibung qualifizierter Mehrheiten ist auf diese Weise sichergestellt, dass keine wichtige Entscheidung ohne deutsche Zustimmung zustande kommen kann.
Der ESM-Vertrag wird durch einen Fiskalpakt ergänzt, um so in allen EU-Staaten eine Haushaltsdisziplin nach deutschem Modell, d.h. insbesondere mit Schuldenbremse, durchzusetzen. Auch in Zukunft sichern wir damit den speziell für Deutschland so wichtigen Währungsraum.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann