Frage an Norbert Brackmann von Marco W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Brackmann,
Ihr bisheriges Abstimmungsverhalten entsprach bei der Europapolitik durchweg dem Regierungs-Kurs der CDU/CSU/FDP.
Hier stehen die EU-Staaten mit dem ESM-Gesetz nun vor einem historischen Schritt. Meiner Ansicht nach ist es ein weiterer Schritt, der sich gegen unsere deutschen Interessen richtet. Es gibt - wenn gleich wenige - Abgeordnete der Regierungskoalition, die sich dem Fraktionszwang widersetzt haben. Mir ist schleierhaft, wie Sie persönlich ein ESM-Gesetz gutheißen können,
> dass die Finanzminister (im Gouverneusrat) als Regierungsmitglieder dazu ermächtigt, demnächst unabhängig von parlamentarischer Kontrolle zu agieren,
> dass im Gouverneursrat Mehrheitsentscheidungen das (einst den Parlamenten vorbehaltene) Haushaltsrecht der Nationalstaaten unterlaufen und
> dass keine Regeln enthält, wie ein Land die Vereinbarung aufkündigen kann.
Ich möchte Sie bitten, mir zu sagen, warum Sie die drei genannten Punkte scheinbar nicht beunruhigen. Als Wähler aus Ihrem Wahlkreis interessiert mich dies mit Blick auf die nächste Wahl sehr.
Mit freundlichen Grüßen
Marco Wiesner
Sehr geehrter Herr Wiesner,
vielen Dank für Ihre Frage.
Zu Ihrem ersten Punkt: Es würde mich in der Tat beunruhigen, wenn Regierungsmitglieder ohne parlamentarische Kontrolle ermächtigt wären, im Gouverneursrat abzustimmen. Dies ist aber keineswegs der Fall. Der deutsche Vertreter in den Gremien des ESM wird nur dann mit „Ja“ stimmen oder sich enthalten können, wenn dies vorher durch den Deutschen Bundestag oder den Haushaltsausschuss explizit genehmigt worden ist. Ansonsten muss er den Vorschlag ablehnen. Da Deutschland mit rund 28 Prozent der Stimmanteile (abgeleitet aus dem Kapitalanteil) bei allen wichtigen Abstimmungen eine Sperrminorität besitzt, kann gegen die deutschen Interessen keine gewichtige Entscheidung getroffen werden. Daher haben wir nicht nur eine starke parlamentarische Kontrolle des deutschen Vertreters in den ESM-Gremien, sondern verhindern auch, dass das Haushaltsrecht unterlaufen wird.
Bezüglich der Aufkündigung des ESM-Vertrages gebe ich zu bedenken, dass der Austritt aus dem Euro vertraglich nicht geregelt ist. Wie aber könnte man den Austritt aus dem ESM regeln, der bei einem so wichtigen Land wie Deutschland wahrscheinlich das Ende der Gemeinschaftswährung zur Folge hätte, nicht aber den Austritt aus der Gemeinschaftswährung für einzelne Länder? Der ESM kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen. Gleiches gilt für den Euro.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann