Frage an Norbert Brackmann von Susanne N. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Brackmann,
wie kann es sein, dass angesichts der immer noch desolaten Haushaltslage die Kanzlerin offensichtlich Überlegungen anstellt, dem FDP-Wunsch nach Steuersenkungen nachzukommen? Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not - gilt das denn auch nach den jüngsten Erfahrungen der Wirtschafts- und Finanzkrise noch immer nicht?
Warum können sich Besserverdienende (jenseits der Beitragsbemessungsgrenzen) immer noch günstig in den gesetzlichen Sozialkassen versichern? Warum werden Zins- und Mieterträge bei gesetzlich Versicherten nicht zur Einkommens- und damit Beitragsberechnung der Sozialversicherungen herangezogen und leisten damit ihren gerechten Beitrag zum gesetzlichen Versicherungssystem?
Mit den besten Grüßen aus Ihrem (derzeit sonnigen) Wahlkreis
Susanne Nowacki
Sehr geehrte Frau Nowacki,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die in der Presse bereits diskutierte Steuerentlastung, auf die sich die christlich-liberale Koalition grundsätzlich geeinigt hat, war ein zentrales Anliegen in der Koalitionsvereinbarung. Allerdings steht sie nach wie vor unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. In diesen Tagen wurde der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2012 vorgestellt und die Zahlen sind sehr positiv. Nach den Plänen werden wir im Jahr 2012 rund 10 Milliarden Euro unter der maximalen Nettokreditaufnahme bleiben, die nach der Schuldenbremse im Grundgesetz zulässig ist. Allerdings wäre die Nettoneuverschuldung dann immer noch doppelt so hoch wie im Vorkrisenjahr 2008.
Außerdem zeigen die Berichte von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission, dass für Griechenland längerfristig keine Schuldentragfähigkeit gegeben ist. Das ist auch mit Risiken für den deutschen Haushalt verbunden, denn wir bürgen für die Griechenland-Kredite der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wir sollten deshalb Vorsorge treffen, so wie wir von Banken auch fordern, dass sie erkannte Risiken angemessen absichern. Mittel für eine solche Absicherung sollten bei der Aufstellung des Bundeshaushaltes und des Finanzplanes bis 2015 bedacht werden. Andere finanzielle Risiken wie der Europäische Stabilitätsmechanismus und die Energiewende sind ebenfalls klar zu erkennen. Des Weiteren haben wir im Finanzplan des Bundes für die Jahre 2014 und 2015 globale Minderausgaben, also allgemeine Einsparungen über alle Ressorts hinweg, von jeweils 4,8 Milliarden Euro vorgesehen. Das legt nahe, dass wir für 2014 ein neues Sparpaket werden schnüren müssen. Diese Aspekte genießen aus meiner Sicht eine höhere Priorität als vorhergehende Steuersenkungen.
Das Sozialversicherungssystem in Deutschland ist auf einer Lastverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aufgebaut. Deshalb liegen den Beiträgen grundsätzlich die Arbeitseinkommen zugrunde und nicht etwa Zinsen und Mieten.
Außerdem erhalten bei gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung alle Versicherten die gleichen Leistungen. Daher wäre aus Gleichbehandlungserwägungen eigentlich geboten, dass jeder Mensch den gleichen Beitrag zahlt. Allerdings hat man sich in Deutschland bewusst für ein abgestuftes System, abhängig vom Einkommen, entschieden. Trotzdem bleibt der verfassungsrechtlich bedenkliche Aspekt, dass Menschen mit höheren Einkommen für gleiche Leistungen wesentlich mehr bezahlen als Menschen mit geringeren Einkommen. Würden wir die Beitragsbemessungsgrenze anheben oder sogar abschaffen, würde diese Regelung vom Bundesverfassungsgericht beanstandet.
Bei der Rente verhält es sich ähnlich. Das Rentensystem ist eine Versicherungsleistung. Wer mehr einzahlt, bekommt am Ende auch mehr Rente. Wenn wir nun die Deckelung nach oben aufheben würden, müssten Menschen mit höheren Einkommen zwar mehr einzahlen, würden am Ende aber auch viel mehr herausbekommen. Wir würden eventuell Millionären Renten in Millionenhöhe überweisen müssen ohne die Finanzierung des Rentensystems verbessert zu haben. Das kann nicht Sinn und Zweck staatlicher Vorsorge sein.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann