Frage an Norbert Brackmann von Peter D. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Hr. Brackmann,
wozu gibt es eigentlich den Art 101 des EU-Vertrages? ( http://dejure.org/gesetze/EG/101.html )
Er verbietet den öffentlichen Institutionen die Vergabe von Krediten untereinander. Somit kann Beispielsweise Staatsbankrott gefährdeten Ländern nur über Bürgschaften geholfen werden. So das die Betroffenen Länder sich ihre Kredite weiterhin an den privaten Geldmärkten holen müssen, was die sich teuer bezahlen lassen. Ebenso die Staatsanleihen könnten ohne diesen Artikel doch einfach bei der Bundesbank ( zinslos ) aufgenommen werden, was erhebliche Kosten verhindern würde. Welchen Zweck hat dieser Artikel der die Staaten von der privaten Finanzwirtschaft abhängig macht?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Degenhardt
Sehr geehrter Herr Degenhardt,
vielen Dank für Ihre Frage.
Der Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), früher Artikel 101 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), verbietet der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Zentralbanken der Mitgliedsstaaten öffentlichen Einrichtungen Kreditfazilitäten zu gewähren. Außerdem ist es ihnen verboten, unmittelbar Schuldtitel von Mitgliedsstaaten, also dem Herausgeber (Emittenten), aufzukaufen. Ihnen ist es aber erlaubt, diese Schuldtitel über den Sekundärmarkt, also von einem Dritten, zu erwerben.
Dieser Artikel ist wichtiger Bestandteil der Regeln, die der AEUV für ein vernünftiges Haushaltswesen der Mitgliedsstaaten beinhaltet. Er verhindert, dass sich schlecht haushaltende Mitgliedsstaaten über ihre Zentralbanken einfach ihrer Schulden entledigen oder schlimmer noch, ihre Schulden durch Kredite der EZB auf Gesamteuropa umwälzen.
Die Mitgliedsstaaten werden durch diesen Artikel dazu gezwungen, sich dem freien Markt zu stellen. Wirtschaften sie vernünftig und machen sie wenig Schulden, bekommen sie vom Finanzmarkt günstige Kredite. Haushalten sie jedoch unvernünftig und machen mehr Schulden als es ein gesunder Staatshaushalt verkraften kann, werden sie vom Markt durch höhere Zinsen und Risikoaufschläge abgestraft. Das erhöht den Druck zugunsten einer soliden Haushaltspolitik umzuschwenken und so die Zinslast zu senken und mehr Handlungsspielraum zu erarbeiten.
Könnte die Bundesrepublik ihre Schulden, wie in Ihrem Beispiel, zinslos auf die Bundesbank abwälzen, würde das zwar die Zahlungen für Zinsen drastisch reduzieren. Die Folgen für die Wirtschaft aber wären fatal. Die Inflation würde rasant steigen, wovon besonders private Sparer hart getroffen würden. Und als größtes Land der Eurozone würden wir unsere Währung destabilisieren, was für ein Exportland wie Deutschland sofort auf die Wirtschaftskraft durchschlagen würde.
Im Übrigen können sich die akut vom Staatsbankrott bedrohten Staaten wie Griechenland und Irland nicht mehr am privaten Kapitalmarkt versorgen. Darin besteht das Problem. Deshalb erhalten sie Kredite aus Stabilisierungsmechanismen für die die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Geld bereitstellt. Für diese Kredite der KfW bürgt dann die Bundesrepublik, nicht für private Finanzmarktkredite an die Länder. Die Gelder werden nur dann ausgezahlt, wenn die betroffenen Staaten ihre öffentlichen Haushalte konsolidieren und den Weg zu einer soliden Zukunft beschreiten. Die Einhaltung der Sparzusagen der Länder wird überwacht. Die nächste Kredittranche wird nur bei vollem Erreichen der Zwischenziele ausgezahlt.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Brackmann