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Nicolette Kressl
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Frage von Gisbert G. •

Frage an Nicolette Kressl von Gisbert G. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Kressl!
Als Beschäftigter im Bereich der neuen Postdienste habe ich mit Freude die Einführung des gesetzl. Postmindestlohnes von 9,80/ Stunde zum Januar 2008 zur Kenntnis genommen. Da er in meinem Unternehmen bis zum heutigen Tag nicht verwirklicht wurde, sondern durch Gerichtsverfahren der Arbeitgeber vor Verwaltungsgerichten und mit fragwürdigen Mindestlohntarif-verträgen, mit ebenso fragwürdigen Gewerkschaften (GNBZ, christlicher Gewerkschaftsbund), deren Tariffähigkeit derzeit die Arbeitsgerichte beschäftigt, auf die lange Bank geschoben wird, würde ich gerne erfahren, was die Politik zu tun beabsichtigt, um diesen Lohn durchzusetzen. Müssen wir Beschäftigte damit rechnen, dass das Thema von den Arbeitgebern bis über die Bundestagswahl hinaus verschleppt werden kann, um dann, mit möglicherweise neuen Machtverhältnissen, endgültig "gekillt" zu werden.
Die Arbeit als Briefzusteller bei Wind und Wetter ist mitunter hart. Billiglöhnerei mit 7,50 Euro pro Stunde und gesetzlichem Mindesturlaub hierfür unangemessen und wettbewerbser-zerrend. Es ist schon beängstigend zu sehen, wie in dieser Frage Politik und Arbeitnehmer, gemeinsam, "an der Nase gezogen werden".
Mit freundlichem Gruß aus Rastatt

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Groß,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf abgeordnetenwatch zum Thema Postmindestlohn. Um es gleich deutlich zu machen: Ich halte einen Mindestlohn -- auch bei Briefdienstleistungen -- für notwendig. Es ärgert mich, dass der gesetzliche Mindestlohn für Briefdienstleistungen immer wieder für Negativschlagzeilen in der öffentlichen Debatte sorgt. Wie in den Medien zu lesen war, ist die Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Post-Mindestlohn im Dezember letzten Jahres vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in zweiter Instanz mit der Begründung gescheitert, dass die Ausdehnung des Mindestlohns auf die gesamte Briefdienstleister-Branche rechtswidrig sei, weil das Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine Übertragung von Mindestlöhnen nur auf tariflich nicht gebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulasse. Die Bundesregierung hat in ihrer Verordnung den Tarif-Mindestlohn hingegen für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorgeschrieben, die nicht an den eigentlichen Tarifvertrag gebunden sind. Das Arbeitsministerium hat bereits Revision angekündigt, und ich bin optimistisch, dass unsere Rechtsauffassung letztinstanzlich bestätigt wird. Bis dahin behält der Mindestlohn seine Gültigkeit.

Ich persönlich setze darauf, dass die Entscheidung letztendlich für den eingeführten Postmindestlohn ausgehen wird. Die Rechtsstreitigkeiten zeigen aber einmal mehr, dass wir auch in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen, wie ihn die SPD schon seit langem fordert. Die SPD hat sich erfolgreich gegen die Versuche der CDU durchgesetzt, die Tarifautonomie zu untergraben. Der Gesetzgeber hat in die Lohnfestsetzung nicht eingegriffen, sondern dazu beigetragen, dass der zwischen den Tarifpartnern vereinbarte Mindestlohn für alle Beschäftigten gilt. Damit erhalten Briefzusteller künftig einen Bruttolohn von 9,80 Euro. Für die übrigen Tätigkeiten der Briefbeförderung (Einsammeln und Weiterleiten) beträgt der Mindestlohn 8,40 Euro. Der Mindestlohn gilt für die gesamte Branche der Briefdienstleistungen -- das sind alle Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend gewerks- und geschäftsmäßig Briefsendungen für Dritte befördern. Auch Unternehmen, die überwiegend andere Arbeitnehmer beschäftigen, aber eine Briefabteilung haben, müssen für ihre "Postboten" den Post-Mindestlohn zahlen. Allerdings können wir auf politischem Wege nicht gerichtliche Klagen außer Kraft setzen -- und deshalb bleiben leider gewisse Unsicherheiten bestehen.

Im Januar konnte die SPD einen weiteren wichtigen Erfolg auf Ihrem Weg zu einem flächendeckenden Mindestlohn verzeichnen. Dank hartnäckiger Verhandlungen von Olaf Scholz wurde der Mindestlohn auf sechs weitere Branchen ausgeweitet. Mit den jetzt neu hinzugekommenen Branchen können nun rund 3,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom Mindestlohn profitieren.

Ich werde mich mit meiner Partei auch weiterhin für gerechte Löhne in Deutschland einsetzen. Nur mit vernünftigen Mindestlohnregelungen können wir den Konsens der sozialen Marktwirtschaft wieder herstellen, dass auch die Unternehmen soziale Verantwortung für ihre Belegschaften haben.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Mittelbadische SPD-Bundestagsabgeordnete
Nicolette Kressl