Frage an Nicolette Kressl von Michael S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Kressl,
die EU droht sich in eine schuldenbasierte Transferunion, eine Haftungsgemeinschaft, zu verwandeln. Außerdem soll das Haushalts- und Budgetrecht der nationalen Parlamente an einen EU-Gouverneursrat abgegeben werden. Dieser soll über ein Budget in Höhe von zunächst 700 Milliarden Euro verfügen, das binnen 7 Tage von den Euro-Mitgliedsländern eingefordert und zudem unbegrenzt erhöht werden kann. Außerdem sollen die EU-Gouverneursmitglieder volle Immunität genießen und sind somit jeglicher rechtlicher Kontrolle entzogen.
Und das wollen Sie mitmachen ?
Grundlage hierfür ist der erst vor kurzem mir bekannt gewordene Vertragsentwurf zum sog. "Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)", über den Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages Anfang 2012 entscheiden werden. Deutsche Steuergelder sollen für die Schuldenpolitik anderer EU-Länder geradestehen. Wir sollen arbeiten, damit die Banken keine Verluste machen. Dem Steuerzahler wird Zwangssolidarität verordnet. Die Banken sind auf freiwilliger Basis dabei. Uns Bürgern gesteht man diese Freiwilligkeit nicht zu. Wir müssen zahlen. Der ESM-Vertrag darf deshalb den Deutschen Bundestag nicht passieren!
Ich fordere Sie daher auf, sich politisch für ein klares Bekenntnis gegen den ESM-Vertrag und die EU-Schuldenunion auszusprechen. Sie haben es in der Hand, daß der Steuerzahler nicht weiter belastet wird. Denken Sie bitte an die kommenden Generationen, die unter einer verfehlten EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik leiden werden.
Meine politische Unterstützung an der Wahlurne mache ich stark von Ihrer Haltung in dieser essentiellen Zukunftsfrage abhängig.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Stühler
Sehr geehrter Herr Stühler,
wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Deutschen Bundestag befürworten den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM). Gerne erläutere ich Ihnen, warum auch ich mich dafür ausspreche. Ich bitte Sie allerdings zu beachten, dass die parlamentarischen Beratungen zum ESM-Vertrag erst begonnen haben und noch kein abstimmungsfähiger Entwurf vorliegt.
Grundsätzlich gilt: Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus können notleidenden Staaten Darlehen gewährt oder deren Staatsanleihen aufgekauft werden. Hierfür stehen dem Rettungsschirm Garantien und Eigenkapital zur Verfügung. Selbstverständlich müssen die betroffenen Staaten ihrer Verantwortung gerecht werden und Schulden abbauen. Der Notwendigkeit strikter Bedingungen für Hilfsmaßnahmen sind wir uns bewusst.
Aber: Eine notwendige Konsolidierung kann ohne wirtschaftliche Belebung nicht gelingen. Wachstum und Beschäftigung sind von ebenso wichtiger Bedeutung, wenn es darum geht, Stabilität zu erreichen. Hinzu kommt, dass der Finanzsektor reguliert und an den Kosten der Krise beteiligt werden muss. Wir lehnen es ab, in erster Linie die Steuerzahler und nicht die Krisenverursacher zahlen zu lassen. Deshalb fordern wir seit geraumer Zeit die Einführung einer Steuer auf Spekulationen (Finanztransaktionssteuer).
Wir wollen, dass der ESM zu einem schlagkräftigen Krisenreaktionsmechanismus ausgebaut wird, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Ziel ist eine gemeinschaftliche Lösung in Form eines „Europäischen Währungsfonds“. Nicht alleine die Staats- und Regierungschefs sollen über Hilfsmaßnahmen und Anpassungsprogramme entscheiden. Die Gemeinschaftsinstitutionen, insbesondere das Europäische Parlament, aber auch die nationalen Parlamente sind zu stärken, um die demokratische Legitimation zu sichern.
Auch wenn diese Lösung nicht innerhalb weniger Wochen umsetzbar ist, ist dieser Weg ein nachhaltiger Beitrag zur Krisenbewältigung und eine europäische Antwort. Nur mit einer starken Europäischen Union wird Deutschland in einer immer stärker globalisierten Welt auch in Zukunft wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen. Dafür brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Europa.
Mit freundlichen Grüßen
Nicolette Kressl, MdB