Frage an Nicolette Kressl von Dominik D. bezüglich Finanzen
werden Sie der -neuerlichen- Erhöhung der Diäten aufgrund des Tarifabschlusses für die Bundesangestellten zustimmen ? Falls ja, würde mich eine stichhaltige Begründung interessieren, vor allem unter dem Aspekt der Schlagworte: Glaubwürdigkeit, Mitnehmermentalität und Vorbildfunktion. Die "Umlegung" der von Abgeordneten erbrachten Arbeitszeit auf einen - fiktiven- Stundenlohn halte ich in diesem Zusammenhang nicht für stichhaltig, da von jedem Arbeitnehmer in Unternehmen, insbesondere von leitende Angestellten in den Gehaltsregionen, die denen der Abgeordneten entspricht, eine deutliche Mehrleistung erwartet und NICHT vergütet wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dominik Daul
Sehr geehrter Herr Daul,
vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit als Bundestagsabgeordnete.
Über die Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung ("Diät") wird momentan viel öffentlich diskutiert. Kritisch wird häufig folgende Frage gestellt: Was stellt eine *angemessene *Entschädigung für Mitglieder des Bundestages dar?
Nach Artikel 48 des Grundgesetzes und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes haben Abgeordnete einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine *angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde* Entschädigung und eine Altersentschädigung.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Bundestag selbst über angemessene Diäten entscheiden muss, somit ist es nicht möglich, eine unabhängige Kommission mit dieser Aufgabe zu beauftragen. Es ist schwer, selbst über die Höhe des Geldes zu entscheiden, das einem zusteht, das ist einer der Gründe, warum es in der Vergangenheit schon *viele Nullrunden* für die Abgeordneten gegeben hat. Aufgrund der angespannten Wirtschaftsverhältnisse verzichteten die Abgeordneten zudem seit dem Jahr 2003 auf eine Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung.
Die Mitglieder des Bundestags haben im November 2007 die Neuregelung der Abgeordnetenentschädigung verabschiedet. Damit wurde ein *Richtmaß für die Höhe der Diäten* festgelegt. So wird Willkür oder - wie Sie es nennen - Selbstbedienung vorgebeugt.
Die Abgeordnetenentschädigung orientiert sich demnach nach der Vergütung von Amtsinhabern mit vergleichbaren Tätigkeiten. Als Richtgröße sollen die Bezüge von Bürgermeistern kleiner Städte und Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern gelten. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Des Weiteren wurden die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht etc.) als vergleichbar angesehen. Sie sind bei der Ausübung ihres Amtes -- ähnlich wie Abgeordnete- unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie erhalten eine Vergütung der Besoldungsgruppe R6.
Dieser Maßstab schafft eine *hohe* *Transparenz* und Klarheit. Es ist berechenbar, wie weit die Abgeordnetenentschädigung erhöht wird.
Wenn es zukünftig eine Erhöhung der Gehälter im Öffentlichen Dienst gibt, wird diese auch bei den Abgeordneten ankommen. Wenn dies nicht geschieht, werden die Diäten nicht erhöht.
Mir ist bewusst, dass die zweimalige Anhebung der Diäten zu großen Irritationen führt. Darauf möchte ich gerne eingehen.
Es wurde von Anfang an eine Anhebung in zwei Stufen geplant. So sollte zum 1.Januar 2008 die Abgeordnetenentschädigung um 330 Euro auf 7339 Euro angehoben werden. Der zweite Schritt wird eine Erhöhung zum 1.Januar 2009 sein. Dann werden die Diäten um weitere 329 Euro auf 7668 Euro angehoben. Das entspricht dann dem Stand von R6 im Jahre 2007.
Aktuell wird die Anpassung der Diäten an den jüngsten Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst diskutiert. Diese Erhöhung käme nicht rückwirkend zum 1. Januar 2008, wie dies im öffentlichen Dienst der Fall ist, zum tragen. Erst für das Jahr 2009 würde die Tariferhöhung auf die Abgeordnetenentschädigung übertragen. Die ausgehandelte einmalige Sonderzahlung würden die Abgeordneten nicht erhalten.
Dem erhöhten Niveau von B6 bzw. R6 werden die Diäten frühestens im Jahre 2010 entsprechen.
Dafür wird allerdings die häufig kritisierte *Altersversorgung der Abgeordneten* verändert. Bisher orientiert diese sich an der Beamtenversorgung. Allerdings sind Beamte im Gegensatz zu den Mitgliedern des Bundestages meist ein Leben lang in ihrem Beruf tätig. Abgeordnete kehren oft nach ihrer Tätigkeit im Bundestag in einen "normalen" Beruf zurück. Somit stünde ihnen eine weitere Versorgung zu.
Die bisherige Vollversorgung der Abgeordneten soll in Zukunft auf eine *Lücken füllende Teilversorgung* reduziert werden.
Außerdem sinkt die Steigerungsrate der Altersversorgung von 3 auf 2,5 Prozent pro Mandatsjahr. Während früher ein Abgeordneter nach 8 Mandatsjahren bereits 35 Prozent der Abgeordnetenentschädigung als Altersversorgung erhielt, waren es nach 1995 nur 24 Prozent, seit 2008 sind es nur noch 20 Prozent.
Bisher wurde der Höchstsatz der Abgeordnetenentschädigung schon nach 23 Jahren als Mitglied des Bundestages erreicht. Von nun an soll erst nach 27 Jahren dieser Satz gewährt werden.
Den Höchstanspruch erhalten dann nur noch sehr wenige Abgeordnete. Die meisten Mitglieder des Bundestages gehören etwa zwei bis drei Legislaturperioden lang dem Deutschen Bundestag an. Das entspricht einer Zeitspanne von acht bis 12 Jahren.
Die Altersgrenze für die Abgeordnetenentschädigung wird von 65 auf 67 Jahre angehoben (entsprechend der Anhebung in der gesetzlichen Rentenversicherung).
Übrigens: Entgegen einer weit verbreiteten Vorstellung müssen die Abgeordneten ihre Diäten voll versteuern und die Abgeordneten erhalten auch keine jährlichen Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder ein 13. Monatsgehalt. Dabei wird es auch bleiben.
Insgesamt ist die Erhöhung der Diäten meiner Ansicht nach angemessen.
Als Abgeordnete für den Wahlkreis Rastatt/Baden-Baden vertrete und repräsentiere ich rund 282 Tausend Bürgerinnen und Bürger. Das bringt große Verantwortung mit sich. Dies fordert nicht nur sehr viel Zeitaufwand, auf den Sie bereits hingewiesen haben, sondern auch eine große Belastbarkeit.
Abgeordnete verdienen wesentlich weniger als Führungskräfte in der Wirtschaft. Außerdem haben Politiker ihr Mandat nicht für die Ewigkeit inne. Die Arbeit als Mitglied des Bundestages bringt somit ein gewisses Risiko mit sich. Manchmal funktioniert der Übergang in den "alten Beruf" alles andere als reibungslos.
*Kein Abgeordneter macht also Politik, um Geld zu verdienen!*
Allerdings sollte die Entschädigung der großen Verantwortung und Belastung angemessen sein. Abgeordnete müssen *frei und unabhängig* Entscheidungen treffen können. Unabhängigkeit ist einer der wichtigsten Werte unserer Demokratie.
Die Diäten werden so angepasst, *wie *es* bereits 2007 beschlossen* wurde. Dadurch wird keine Selbstbedienung ermöglicht. Im Gegenteil: Es gibt ein klares Richtmaß für die Höhe der Abgeordnetenentschädigung.
Ich hoffe, dass ich mit meiner Antwort zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen konnte.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre mittelbadische SPD-Bundestagsabgeordnete
Nicolette Kressl, MdB