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Nicolette Kressl
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Frage von Christoph M. •

Frage an Nicolette Kressl von Christoph M. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Kressl,

Sie stehen also für "Show-Dialoge und Spiegelfechterei" nicht zur Verfügung. Das kann ich durchaus nachvollziehen. Warum beantworten Sie also nicht einfach die von mir gestellten Fragen und weichen nicht nur aus?
Die Frage inwieweit der Gesetzgeber bisher der Verpflichtung zur Beobachtung der realen Situation nachgekommen ist, haben Sie ja inzwischen beantwortet: Zwei Expertenanhörungen innerhalb von 4 Jahren und bis heute nicht in der Lage halbwegs verlässliche Zahlen über reale Nutzung der nichtehelichen gemeinsamen Sorge oder andere relevante Daten zu nennen. Das nenne ich nicht gerade engagierte Erfüllung einer immerhin vom Verfassungsgericht auferlegten Pflicht.

Auf meine zweite Frage sind Sie bisher überhaupt nicht eingegangen, weshalb ich sie hier nochmals stelle: Wie erklären Sie den Widerspruch, daß einerseits von der Politik immer wieder Forderungen nach dem "modernen" Mann, der zugunsten der Kinderbetreuung beruflich zurückstecken soll, gestellt werden, andererseits die Politiker durch Gesetze modernen Männern genau dieses familiäre Engagement verbietet? Ca. 30% aller Väter sind Väter nichtehlich geborener Kinder und haben somit nicht das Recht für sich "Elternzeit" in Anspruch zu nehmen. Weiterhin ist jeder kindesunterhaltspflichtige Vater gesetzlich verpflichtet durchgehend mindestens einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Im Falle eines weiteren Kindes ist es diesen Vätern per Gesetz verboten in "Elternzeit" zu gehen. Zu einem Großteil haben Väter also kein Recht "Elternzeit" zu beanspruchen. Ist es also nicht eher angebracht ein "modernes" Familienrecht zu fordern? Ein Recht welches es allen Vätern ermöglicht, die an sie gestellten Forderungen auch zu erfüllen?

Zum Abschluß: Soweit ich das sehe sind Sie über die LANDESliste Mitglied des BUNDEStages geworden. Sehen Sie sich tatsächlich lediglich als Vertreterin der Bürger Ihres WahlKREISES?
Mit freundlichen Grüßen

Christoph Maass

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Sehr geehrter Herr Maass,

Sie bleiben hartnäckig, das hat ja auch gute Seiten... Mein Team und ich haben ausgehend von Ihrer beharrlichen Anfrage nochmals intensiv über den Umgang mit abgeordnetenwatch.de und solchen Petitionen, die nicht aus meinem Wahlkreis stammen, diskutiert. Gerne möchte ich Ihnen unser Ergebnis mitteilen.

Bitte lassen Sie mich zunächst auf Ihren Schlussabsatz eingehen:

Ausgehend von Artikel 38 I 2 GG hat sich in der parlamentarischen Praxis und der Rechtsfortbildung bis hin zu Leitsätzen des Bundesverfassungsgerichts (so im Diätenurteil aus dem Jahr 1975) die Auffassung verbreitet, wonach sich die Tätigkeit der Abgeordneten einerseits am Sitz des Deutschen Bundestages, andererseits im Wahlkreis abspiele. Dies gilt auch für über die Landesliste gewählte Abgeordnete, die den Wahlkreis, in dem sie kandidiert haben, oft mit nicht geringerer Intensität bearbeiten als das jeweils direkt gewählte Mitglied des Bundestages. Auf meiner Website www.kressl.de finden Sie eine Masse an Belegen dafür, dass es sich auch und gerade in meinem Fall genau so verhält.

Im so genannten Diätenurteil hat sich das Verfassungsgericht außerdem mit der Frage des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit eines MdB befasst. Das Gericht geht im Ergebnis von einer Wochenarbeitszeit von 80 bis 120 Stunden aus. In der Herleitung dazu wird argumentiert: „Er [der Abgeordnete] wird im Parlament (…), in Fraktion und Partei (…) sowie im Wahlkreis (…) in Anspruch genommen.“ Damit hat das Verfassungsgericht die Tätigkeitsfelder eines Abgeordneten enumerativ, also abschließend aufgezählt. Diese Folgerung ist nicht nur sprachlich und sachlich logisch, sondern auch im Wege der Auslegung schon daher zwingend, weil eine noch größere Ausweitung der Tätigkeiten allein durch das bereits aufs Äußerste gedehnte Zeitbudget nicht leistbar sein würde.

Der Verfassungsrechtler Hans Hubert Klein schreibt im Handbuch des Staatsrechts: „Schließlich ist er [der Abgeordnete] Ansprechstelle für zahllose Bürger, die sich mit ihren Wünschen und Vorstellungen an ihn wenden.“ Diese Tätigkeitsbeschreibung findet sich in einem Kapitel, das sich explizit mit den Pflichten des Mandatsträgers IM WAHLKREIS befasst. An keiner Stelle gehen Klein oder andere namhafte Verfassungsjuristen davon aus, dass diese Pflichten sich auf einen darüber hinausgehenden Wirkungskreis erstrecken sollen.

Sicherlich haben Sie Verständnis dafür, dass diese gängige und seit vielen Jahrzehnten bewährte Parlamentspraxis nicht durch das Hinzutreten eines neuen Mediums (Internet) oder einer Plattform wie abgeordnetenwatch.de in ihrer grundsätzlichen Gültigkeit in Frage gestellt werden kann.

Konsequenterweise und auch aus Gründen gebotener Rücksichtnahme auf meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag kann ich als Abgeordnete aus der Region Mittelbaden weiterhin keine Antwort geben, wenn die Fragestellerinnen oder Fragesteller nicht aus meinem Wahlkreis stammen. Die allermeisten Abgeordenten beherzigen diese Grundregel hier bei abgeordnetenwatch.de.

Ausnahmen hiervon möchte ich in Ergänzung des bislang Gesagten dann machen, wenn die Frage sich unmittelbar auf meinen Verantwortungsbereich als stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion bezieht. Damit wende ich die oben genannten Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts in jeder Hinsicht an, da dieses Engagement dann über mein Fraktionsamt als zulässig und angemessen betrachtet werden kann. Konkret werde ich also gerne zukünftig auf folgende Themen auch bei wahlkreisfremden Petenten eingehen: Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie Bildung und Forschung.

Obwohl also Ihre Ansicht, wonach jedes (über die Landesliste gewählte) Mitglied des Bundestages jede Frage hier bei abgeordnetenwatch beantworten müsse, verfassungsrechtlich nicht ganz zutreffend ist, werde ich als stellvertretende Vorsitzende meiner Fraktion eine Antwort auf Ihre letzte offene Frage geben. Ich bitte Sie allerdings für meine Recherche noch um ein paar Tage Geduld.

Mit freundlichen Grüßen

Nicolette Kressl, MdB

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Maass,

ich halte Ihr Engagement für eine stärkere Beteiligung von Vätern an der Erziehung ihrer Kinder für äußerst berechtigt und ehrenwert. Leider ist Ihr Vorgehen aber nicht geeignet, in einen an dieser Sache orientierten, zielführenden und fairen Dialog einzutreten. Denn mit Ihren Fragen und Behauptungen sagen und unterstellen Sie schlicht die Unwahrheit.

Ihre Behauptung, die Politik schaffe Gesetze, die moderne Männer an der Realisierung ihres familiären Engagements hindere, ist falsch und unzutreffend. Auch Väter nicht-ehelich geborener Kinder haben selbstverständlich das Recht, für sich Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Ein Vater, der sein im Haushalt lebendes Kind selbst betreut oder erzieht, hat einen Anspruch auf Elternzeit, wenn er während dieser Zeit nicht mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig ist. Das Gleiche gilt auch für den nicht sorgeberechtigten Vater sowie für den Vater, der noch nicht als Vater anerkannt worden ist oder über dessen Antrag auf Vaterschaftsfeststellung noch nicht entschieden wurde, soweit die Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils vorliegt.

Auch Ihre Behauptung, jeder kindesunterhaltspflichtige Vater sei gesetzlich verpflichtet, durchgehend einer Erwerbsarbeit nachzugehen, ist nicht zutreffend. Im Falle eines weiteren Kindes sei es diesen Vätern per Gesetz verboten, in Elternzeit zu gehen. Auch dies ist falsch!

Ein Vater, der in einer zweiten Beziehung ein Kind bekommt, kann selbstverständlich Elterngeld beziehen und Elternzeit in Anspruch nehmen. Aber die damit einhergehende Einkommensverminderung führt nicht zu einer Aufhebung oder Verminderung der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern aus der ersten Beziehung. Und das ist meiner Meinung nach vertretbar. Denn schließlich benötigen die ersten Kinder nicht plötzlich deshalb weniger Essen, Kleidung oder Bücher, weil der Vater ein weiteres Kind bekommt. Wenn ihr Unterhalt ausfällt, wer soll Ihrer Meinung nach dafür aufkommen? Soll dann die Gemeinschaft die Unterhaltsverpflichtung des Vaters übernehmen? Nein. Auch in intakten Ehen, in denen weitere Kinder zur Welt kommen, müssen die Eltern weiterhin für ihre zuerst geborenen Kinder sorgen und damit ihrer Verantwortung nachkommen.

Mit dem neuen Elterngeld wird genau das ermöglicht: Der Vater (oder die Mutter) kann ganz oder teilweise aus dem Beruf aussteigen, um sich um das Kind zu kümmern. Das entfallende Nettoeinkommen wird sehr großzügig ersetzt, und zwar mindestens zu 67% bis maximal 1.800 Euro.

Für weitere Fragen stehe ich gern zur Verfügung. Dies allerdings dann, wenn ich nicht den Eindruck haben muss, dass diese vor allem einen rhetorischen Angriff enthalten oder sehr offensichtlich die tatsächliche und transparente Gesetzeslage ignorieren.

Mit freundlichen Grüßen

Nicolette Kressl, MdB
Stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion