Frage an Nicolette Kressl von Christoph M. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Kressl,
zunächst vielen Dank für Ihre Reaktion auf meine beiden Fragen. Abgesehen davon, daß Sie keine meiner Fragen beantwortet haben, bin ich nun noch ein wenig mehr verwundert. Der Berliner Morgenpost vom 25.1.2007 sei also nicht zu entnehmen, daß Sie mehr "moderne" Männer fordern?
Auf http://www.morgenpost.de/content/2007/01/15/politik/876958.html sind unter dem Absatz "Es fehlen moderne Männer" folgende Sätze zu lesen:
"Das Familienministerium und die SPD hoffen darauf, mit dem zum Jahreswechsel eingeführten Elterngeld ein größeres Engagement der Männer bei der Kinderbetreuung zu erreichen ... Sie sei zuversichtlich, dass es auch in Deutschland bald mehr moderne Männer geben werde, sagte Leyen. Auch SPD-Politikerin Kressl sieht hier Nachholbedarf."
Nun aber zurück zu meinen Fragen: Ich hatte Sie nicht danach gefragt inwieweit Ihre Fraktion gedenkt die bestehenden Diskriminierungen gegen Männer und Väter im Familienrecht ausnahms- und teilweise aufzuheben.
Meine erste Frage war:
Erscheint es Ihnen nicht auch widersprüchlich, daß der Gesetzgeber einerseits Väter durch einen "Bonus" beim Elterngeld versucht dazu zu bewegen, vermehrt Erziehungsurlaub zu nehmen, andererseits aber Vätern noch nicht einmal das Recht zugesteht, eben diesen Erziehungsurlaub zu nehmen?
Anders gefragt: Können Sie nachvollziehen, daß gerade ein Vater dem wie mir grundlos ein Kind, das Sorgerecht und damit auch die Möglichkeit auf "Elternzeit" verweigert wird es als zusätzliche Verhöhnung empfindet ständig lesen zu müssen, daß Väter sich angeblich zu wenig um ihre Kinder kümmerten und sie (die Väter) sich doch gefälligst mehr an der Erziehung der Kinder beteiligen sollten?
Auf meine 2. Frage sind Sie überhaupt nicht eingegangen, weshalb ich sie hier ebenfalls nochmal stelle:
Inwieweit ist der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen aus dem Urteil des BVerfG vom 29.1.2003 in den immerhin seit dem vergangenen 4 Jahren nachgekommen?
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Maass
Sehr geehrter Herr Maass,
Sie sehen es offenkundig, wie Sie wollen. Meine Position ist klar und hinreichend dokumentiert, nicht zuletzt im Dialog mit dem Männeraufbruch e.V., den Sie ganz bestimmt gut kennen. Zu meiner Überzeugung und meinem Ziel, Familienpolitik in Deutschland modern zu gestalten, gehört konstitutiv der gute Glaube an moderne Männer. Mich freut, dass dieser immer wieder bewiesen wird und ich in den letzten Monaten auch und gerade von vielen jungen Vätern Anerkennung für das neue Elterngeld erfahren habe. Wir sind auf dem richtigen Weg, daran kann auch eine ungeschickte Zwischenüberschrift in der Berliner Morgenpost (auf die ich nun wirklich keinen Einfluss habe!) nichts ändern.
Genug der Semantik, lassen Sie uns über Inhalte reden. Sie fragen, inwieweit der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003 nachgekommen ist. Darauf antworte ich gern, auch wenn nahe liegt, dass ein Fragesteller, der eine derart spezifische Verfassungsgerichtsentscheidung samt Datum im Hinterkopf trägt, eigentlich in der Lage sein sollte, den anschließenden politischen Prozess zu verfolgen.
Mit der Kindschaftsrechtsreform 1998 wurde nicht miteinander verheirateten Eltern die Möglichkeit der gemeinsamen Sorge eröffnet. Wie Sie aber richtig beschreiben, gibt es für diese gemeinsame Sorge eine Bedingung, nämlich dass die Eltern durch die Abgabe übereinstimmender Sorgeerklärungen ihre Bereitschaft dokumentieren, in Angelegenheiten des Kindes zusammenzuwirken. Lehnt einer der beiden Elternteile die gemeinsame Sorge ab, wird der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen (§ 1626a BGB).
Der Gesetzgeber ist hierbei davon ausgegangen, dass nicht in jedem Fall unterstellt werden kann, dass Eltern bereit und in der Lage sind, im Interesse des Kindeswohls miteinander zu kooperieren. Dies kann vor allem zutreffen, wenn Kinder in Beziehungen zur Welt kommen, die gar nicht auf Dauer angelegt, sondern flüchtig und instabil sind.
Diese Regelung der Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mütter im Falle der Nichteinigung hat vor allem die Kritik von betroffenen Vätern hervorgerufen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu allerdings im Januar 2003 ein Grundsatzurteil gesprochen. Es hat die Regelungen der §§ 1626a ff BGB im Wesentlichen für verfassungskonform erklärt, dem Gesetzgeber jedoch aufgegeben, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und die gesetzlichen Annahmen zu überprüfen.
Diesem Beobachtungsauftrag sind wir in der Vergangenheit nachgekommen und tun dies immer noch. So hat meine Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode hierzu eine Expertenanhörung durchgeführt. Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat außerdem eine Befragung unter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die im Bereich des Familienrechts tätig sind, sowie unter Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern durchgeführt und wertet diese gerade aus. Das Ergebnis werden wir abwarten, bevor wir uns weiter mit der Frage befassen, ob wir die gesetzlichen Regelungen zur elterlichen Sorge ändern. Dabei wird für mich entscheidend sein, welche Sorgerechtsregelung den Interessen der betroffenen Kinder am meisten nützt.
Zukünftig antworte ich hier nur noch auf ganz konkrete und neue Fragen, die E R K E N N B A R aus meinem Wahlkreis stammen. Für reine Show-Dialoge und Spiegelfechterei stehe ich in diesem Forum ebenso wenig zur Verfügung wie auf allen anderen Kommunikationswegen.
Herzliche Grüße aus Berlin
Nicolette Kressl, MdB
Abgeordnete der Region Mittelbaden