Frage an Nicolette Kressl von Manuel W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Kressl,
Sie sind Mitglied des Finanzausschusses, der sich auch mit Hilfen für die angeschlagenen Mitglieder des Euro-Raums Irland, Griechenland und Portugal beschäftigt.
Nun hat die FAZ einen Artikel veröffentlicht "Über Irland Gewinne in Steueroasen schleusen", in dem die Zeitung die Frage stellt "warum sollen Steuerzahler anderer Länder für Irland haften, wo es doch zunächst durch den Verzicht auf „unfaire“ Steuerpraktiken seine Einnahmen aus eigener Kraft steigern könnte?"
Ein weiterer Artikel von Bloomberg beschäftigte sich mit dieser Frage bereits vor über einem Jahr. ( http://www.bloomberg.com/news/2010-10-21/google-2-4-rate-shows-how-60-billion-u-s-revenue-lost-to-tax-loopholes.html )
Meine Frage ist, 1) ob die Thematik in Ihrem Ausschuss in dieser Tiefe behandelt wird oder eher auf der Ebene der Fachabteilungen in den Ministerien? 2) Die von der FAZ gestellte Frage ist bereits durch die Verwendung des Adjektivs "unfair" suggestiv. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Mit freundlichen Grüßen,
M. Wiegand
Sehr geehrter Herr Wiegand,
für Ihre Fragen danke ich Ihnen. Gerne nehme ich dazu Stellung – auch wenn die Zuständigkeit für die Themen EU-Rettungsschirm und Euro-Krise bei den Haushalts- und nicht etwa bei den Finanzpolitikern liegt.
Wir Sozialdemokraten sprechen uns seit langem gegen Steuerdumping in Europa aus. Bereits Finanzminister Hans Eichel hat diese Frage auf europäischer Ebene mehrfach thematisiert. Gerade die sehr niedrige Körperschaftsteuer in Irland betrachten wir als inakzeptabel. Deshalb haben wir im Zuge der Rettungsmaßnahmen für Irland klare Bedingungen formuliert, die unter anderem vorsehen, die Hilfen für das Land an eine Anpassung an die durchschnittlichen Ertrags- und Unternehmenssteuersätze im Euro-Raum zu knüpfen. Im Detail heißt es in unserem Antrag vom 1. Dezember 2010 – dessen Langfassung Sie im Anhang finden:
Die Ertrags- und Unternehmenssteuersätze, insbesondere der Körperschaftsteuersatz der irischen Republik, sind schrittweise an den Durchschnittssätzen der Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe auszurichten sowie mit Blick auf die einnahmenseitigen Anforderungen der erheblichen Konsolidierungsverpflichtungen zu justieren. Zu kritisieren ist, dass dieses Ziel bislang bezogen auf die irische Körperschaftsteuer nicht durchgesetzt wurde. Künftig ist durch die Mitgliedstaaten der Euro-Gruppe sicherzustellen, dass einheitliche Mindeststeuersätze und Min- destbemessungsgrößen bei Ertrags- und Unternehmenssteuern entwickelt werden, zu deren Einhaltung sich zumindest diejenigen Mitgliedstaaten verpflichten müssen, die um Finanzhilfen nachsuchen. Es darf nicht länger hingenommen werden, dass ein Mitgliedstaat der EU Finanzmittel aus dem Agrarregime und den Struktur- und Kohäsionsfonds erhält und zugleich einen Wettbewerb um möglichst niedrige Steuersätze gegen andere Mitgliedstaaten führt. Wer finanzielle Leistungen der EU-Staatengemeinschaft erhalten möchte, hat sich solidarisch zu verhalten.
Sowohl in der Plenardebatte als auch im Haushaltsausschuss Anfang Dezember hat die SPD-Fraktion klar gemacht, dass Krisenstaaten in der EU die Unterstützung Deutschlands brauchen und auch erhalten sollen. Denn wir sind überzeugte Europäer – und darüber hinaus bleibt die Sicherung der Stabilität des gemeinsamen Währungsraums, von der Deutschland stark profitiert, eine der wesentlichen Herausforderungen dieser Krise. Doch es darf nicht sein, dass Steuerdumping zu Gunsten einzelner Staaten und ein unfairer Steuerwettbewerb sich innerhalb der EU fortsetzen. Auch in diesem Punkt haben wir uns klar positioniert, wie Sie der ebenfalls angehängten Pressemitteilung vom 9. März 2011 entnehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Nicolette Kressl, MdB