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Nicolette Kressl
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Frage von Inge B. •

Frage an Nicolette Kressl von Inge B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Kressl,

ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als als Mitglied des Deutschen Bundestages und finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.

Bezug nehmend auf den nachfolgend geschilderten Sachverhalt bitte ich um eine kurze Erläuterung Ihrerseits zur Rechtskonformität der geschilderten Praxis der Mehrwertsteuererhebung. Ferner wäre ich daran interessiert, zu erfahren, ob es seitens Ihrer Fraktion Erwägungen zu einer Änderung dieser aktuell praktizierten Besteuerung gibt.

Am 01.04.1999 trat die Ökologische Steuerreform in Kraft. Daraus resultierend wird auf den privaten Energieverbrauch eine „Stromsteuer“ erhoben. Entsprechend der von meinem Energieversorgungsunternehmen in Rechnung gestellten Beträge betrug diese „Stromsteuer“ mit Einführung am 01.04.1999 1,023Ct/kWh und stieg dann ab 01.01.2000 auf 1,278 Ct/kWh, ab 01.01.2001 auf 1,533 Ct/kWh, ab 01.01.2002 auf 1,790 Ct/kWh und ab 01.01.2003 auf aktuell 2,050 Ct/kWh. Das ist für mich als politisch gewollt nachvollziehbar.
„Die Umsatzsteuer, auch Mehrwertsteuer genannt, wird von einem Verkäufer für einen getätigten Umsatz durch den Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen an die Finanzbehörden abgeführt. Der Steuersatz beträgt in Deutschland seit dem 01.01.2007 19% ... Als Verbrauchssteuer ist die Umsatzsteuer darauf angelegt, dass sie wirtschaftlich vom Endverbraucher, dem Konsumenten getragen wird.“ (BMF) Auch das ist nachvollziehbar.
Nicht verständlich ist mir, in welcher Weise ein Unternehmen vermittels der gesetzlich vorgegebenen Ausweisung und Einziehung einer Verbrauchssteuer (Stromsteuer) einen unternehmerischen Mehrwert (durch Verkauf eines Produktes) generiert, den es ebenfalls zu besteuern gilt. Anders ausgedrückt: Ist es seitens des Energieversorgungsunternehmens zulässig, auf eine Verbrauchsteuer eine Verbrauchsteuer zu erheben? Ich habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens und wende mich daher an Sie.

Mit freundlichen Grüßen
I. Beeß

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Beeß,

für Ihre Frage zur Erhebung von allgemeinen und speziellen Verbrauchsteuern bedanke ich mich. Ihre rechtlichen Bedenken sind jedoch unbegründet.

Ein verfassungs- oder steuerrechtlicher Grundsatz, wonach ein versteuerter Betrag nicht noch einmal versteuert werden darf, existiert nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstandes einen weiten Gestaltungsspielraum. Da bereits das Grundgesetz eine Vielzahl von Steuern aufführt, gibt es kein einheitliches Steuersystem und damit auch keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt werden müssen, also etwa keine Lücken entstehen dürfen bzw. eine mehrfache Belastung vermieden werden muss (BVerfG, 1 BvL 14/98 vom 08. Januar 1999).

Außerdem ist der deutsche Gesetzgeber an Gemeinschaftsrecht gebunden, das im Interesse eines freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs die Umsatz- und Verbrauchsbesteuerung in der Europäischen Union bereits seit Jahrzehnten harmonisiert. So schreibt übrigens die Energiesteuerrichtlinie 2003/96/EG die Erhebung einer Stromsteuer ab 2004 vor.

Wie von Ihnen dargestellt, ist das Grundprinzip des sog. Mehrwertsteuersystems, dass letztlich der Endverbraucher die Steuer wirtschaftlich trägt. Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass auf jeder Umsatzstufe der bestehende bzw. erhöhte Waren- oder Leistungswert besteuert wird. Grundsätzlich wird die Umsatzsteuer nach dem Entgelt berechnet, das sich nach den ggf. rein subjektiven Wertvorstellungen der Vertragspartner bestimmt. Das Ziel der Belastung nur der Letztverbraucher wird dabei durch das Instrument des Vorsteuerabzugs bei Umsätzen zwischen Unternehmern erreicht.

Merkmal des Mehrwertsteuersystems ist deshalb die Ausklammerung der Umsatzsteuer aus der Bemessungsgrundlage dieser Steuer. Dies gilt aber nicht für andere - spezielle - Verbrauchsteuern. Tatsächlich schreibt die einschlägige Mehrwertsteuersystemrichtlinie die Einbeziehung von Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben, eben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst, in die Steuerbemessungsgrundlage ausdrücklich vor (Art. 78 der Richtlinie 2006/112/EG).

Es gibt keine Bestrebungen auf deutscher oder europäischer Ebene, diese seit Jahrzehnten bestehende Rechtslage zu ändern; dies gilt auch für die SPD-Bundestagsfraktion.

Mit freundlichen Grüßen

Nicolette Kressl, MdB