Frage an Nicolette Kressl von Jürgen K. bezüglich Finanzen
Guten Tag sehr geehrte Frau Kressel,
vor dem Kollaps der Finanzspekulations- und -anlagenbetrugswirtschaft bestand ein Vermögenskonzentrationszustand von <15% aller Privathaushalte über >85% aller Privatvermögen verfügen.
www.destatis.de
www.diw.de
In der Folge Kollaps der o.g. Finanzspekulationswirtschaft scheint auch ursächlich der Liquiditätsinfarkt in der produzierenden Realwirtschaft ausgelöst worden zu sein.
www.iaw.uni-bremen.de
209.85.129.132
Im Jahr 2000 weist das Manifest der 78 Professoren - "Verteidigt das Anrechnungsverfahren gegen unbedachte Reformen!". Auf eine fundamentale Beschädigung der öffentlichen Finanzsituation durch eine "Steuerreform" hin:
www.berlinersteuergespraeche.de
www.wiwi.euv-frankfurt-o.de
Mich würde nun heute, am 28.12.2009 - nach dem Eintritt des von mir antizipierten Staatsbankrottes wegen der Rettung der "systemischen Bankwirtschaft" - www.soffin.de www.bundesfinanzministerium.de interessieren, welche konkrete Position Sie zu den Fragen der
* Kapitaltransferbesteuerung,
* Unternehmenshandelsertragsbesteuerung
* Börsenhandelsumsatzsteuer
* Verrechnungsverbot für Erträge transnationaler Konzerntöchter
beziehen.
Sehr geehrter Herr Klinger,
vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie um Stellungnahme zu verschiedenen Möglichkeiten der Besteuerung von Kapital bitten.
Gern komme ich Ihrer Bitte nach.
Lassen Sie mich zunächst zu den beiden Möglichkeiten der Börsenumsatzsteuer und der Finanztransaktionssteuer Stellung nehmen:
Die SPD fordert die Einführung einer internationalen Finanztransaktionssteuer mindestens auf G20-Ebene mit einer möglichst breiten Bemessungsgrundlage und niedrigen Steuersätzen. Erstens verantworten die G20-Staaten auf ihren Börsen und Handelsplätzen 92% des Welt-Aktienhandels und 76% des Welt-Anleihehandels. Ausweichreaktionen sind also kaum möglich. Aus dem gleichen Grund müsste zweitens die Bemessungsgrundlage der Finanztransaktionssteuer neben Wechselkursgeschäften, Spot-, Derivate- und OTC-Transaktionen (an Börsen) für den Handel mit Aktien, Anleihen und Derivaten umfassen. Drittens sollte der Steuersatz möglichst niedrig zwischen 0,01% und 0,05% liegen.
Eine weltweite Finanztransaktionssteuer von nur 0,05% auf alle Transaktionen könnte Einnahmen von rund 1% des nominellen Welt-BIPs und damit rund die Hälfte der von IWF errechneten bisherigen Belastungen aus Anti-Krisenmaßnahmen in Höhe von 2% BIP erbringen. Grobe Schätzungen gehen von Einnahmen für Deutschland zwischen 10 und 20 Mrd. Euro pro Jahr aus.
Wenn auf G20- oder zumindest EU-Ebene keine Verständigung zugunsten einer Finanztransaktionssteuer zustande kommen sollte, sehen wir die nationale Einführung einer Börsenumsatzsteuer, wie sie in Großbritannien seit 1964 bereits existiert, als Mittel der Wahl.
Die Einführung einer nationalen Börsenumsatzsteuer war bereits eine Forderung unseres letzten Wahlprogramms.
Leider ist mir nicht klar, was Sie mit Unternehmenshandelsertragsbesteuerung meinen. Es gibt in Deutschland die Besteuerung von Unternehmensgewinnen in der Körperschafts-, Gewerbe- sowie der Einkommenssteuer. (Eine weitere Form der Unternehmensbesteuerung halte ich nicht für zielführend.)
Als letzten Punkt benennen Sie ein Verrechnungsverbot für Erträge transnationaler Konzerntöchter. Nach gültiger Rechtslage in Deutschland ist bereits jetzt die grenzüberschreitende Verlustrechnung im Rahmen der körperschaftlichen Organschaft nicht möglich.
Falls Sie damit die Gewinn- und Verlustzuweisungen von in Deutschland ansässigen Konzerntöchtern meinen, möchte ich darauf verweisen, dass die SPD bei der Unternehmenssteuerreform in der vergangenen Legislatur eine deutliche Beschränkung der Möglichkeiten der Gewinnverlagerung ins Ausland erreicht hat. Z.B. können mittels dem neu eingeführten Instrument der Zinsschranke nun nur noch maximal 30% der Zinssumme transferiert werden. Die hohen Steuersätze für Kapitalgesellschaften in Deutschland boten international verflochtenen Unternehmen einen starken Anreiz, hierzulande erzielte Gewinne ins Ausland zu verlagern. Dies geschah, indem in Deutschland künstliche Kosten in Form von Zinszahlungen, Lizenzgebühren oder überhöhte Preise für die Leistungen ausländischer Konzernteile ausgewiesen wurden. Durch die Senkung der Steuersätze und gezielte Maßnahmen gegen solche Gewinnverlagerungen haben wir dafür gesorgt, dass sich diese Gerechtigkeitslücke zwischen den in Deutschland erzielten und den hier tatsächlichen versteuerten Gewinnen verkleinerte.
Mit freundlichen Grüßen
Nicolette Kressl