Frage an Nicolette Kressl von Marco S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Fr. Kressl
Es ist schon sehr unbefriedigend das nun mittlerweile seit Jahrzehnten die Bildungsmisere ( Lehrermangel, Qualtät, etc) in unserem Lande ,von seitens der Eltern, der Lehrer und nicht zuletzt auch durch die Politik, beklagt wird ohne das ein Fortschritt zu verzeichnen wäre.Außer Absichtserklärungen hat sich bislang nicht viel getan, und das obwohl von der Bildung der zukünftigen Generationen der Wohlstand des Landes abhängen wird. Es ist mir völlig unverständlich das im Zeichen einer Finanzkrise von heute auf morgen für 500 Milliarden Euro gebürgt werden kann, während für Schulen und Kindergärten kein Geld da war und auch weiterhin nicht ist. Am Beispiel der Haupt und Werkrealschule in Haueneberstein kann ich Ihnen sagen das notwendigste Anschaffungen oder auch Renovierungsarbeiten an der Schule aus einem Etat bestritten werden müssen der sich auf Zahlungen des Elternvereins der Schule gründet. Was will die Politik in Zukunft unternehmen um diese Zustände zu verbessern?
Werden all den Diskussionen und Absichtserklärungen der letzten Jahre und Regierungen endlich auch die längst überfälligen Taten folgen? Im Interesse unserer Kinder unseres Landes und im Interesse aller die den jetzigen Level des Wohlstands halten wollen ist dringender Handlungsbedarf angesagt.
MfG
MarcoSchäfer
Sehr geehrter Herr Schäfer,
vielen Dank für Ihre Anfrage über das Internetportal www.abgeordnetenwatch.de vom 29. Dezember 2009.
Zuerst eine ganz persönliche Anmerkung: Für mich gehören alle Investitionen im Bildungsbereich zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben überhaupt. Allerdings ist dies auch deshalb eine sehr persönliche Anmerkung, da ich selbst in meiner Aufgabe als Bundestagsabgeordnete nur in eingeschränktem Maße diesen Bildungsbereich mitgestalten kann. Grundsätzlich sind in Deutschland die jeweiligen Bundesländer für die Ausgestaltung des Bildungswesens zuständig, denn sie verfügen gemäß Artikel 30 Grundgesetz über die so genannte Kulturhoheit. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in Baden-Württemberg im Schulgesetz (SchG) und in den §§ 11-22 der Landesverfassung Baden-Württemberg. 2009 investierte das Land Baden-Württemberg 476,1 Millionen Euro in die Förderung des Bildungswesens und 8,2 Milliarden Euro in die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen.
Natürlich sind diese Summen nicht vergleichbar mit dem mit 480 Milliarden Euro ausgestatteten Sonderfonds zur Stabilisierung des deutschen Finanzmarktsystems. Wichtig zu beachten ist jedoch, dass dieser Sonderfonds Garantien für Kredite gibt, die sich die Banken gegenseitig zur Verfügung stellen. Es ist also keineswegs Geld in dieser Höhe tatsächlich ausgegeben worden. Im Moment ist sogar noch das Gegenteil der Fall: Durch die Gebühren, die die Finanzinstitute für die Bürgschaften leisten müssen, ist der Saldo (das kann sich aber auch ändern) für den Staat noch positiv - so wurde bisher keine Garantie in Anspruch genommen. Das Volumen dieser Garantien beträgt maximal 400 Milliarden Euro. Die weiteren maximal 80 Milliarden Euro stellen eine Direkthilfe für notleidende Banken bei Bedarf dar. Im Gegenzug dazu erhält der Fonds Anteile, die er langfristig wieder veräußern kann. Fakt ist, dass Banken, die staatliche Garantien oder Unterstützung ersuchen, mit erheblichen Auflagen und Vorbedingungen konfrontiert werden. Fakt ist auch, dass eine Finanzkrise zu einem Zusammenbruch des gesamten Bankensystems führen kann - viele Bürgerinnen und Bürger hätten dann auch ihren Arbeitsplatz verloren.
Dennoch kann ich gut nachvollziehen, dass es schwer verständlich ist, dass auf der einen Seite hier schnell Abhilfe geschaffen wird, während in anderen Fällen um Verbesserungen im Bildungs- und Ausbildungssystem hart gerungen werden muss. Zusammen mit der SPD stehe ich für ein leistungsstarkes und sozial gerechtes Bildungssystem. Für mich ist klar: Der notwendige, von Ihnen angesprochene, Qualitätssprung im Bildungswesen kann nur dann gelingen, wenn Bund und Länder zusammenarbeiten. Wie wichtig diese Zusammenarbeit ist, haben wir in der Vergangenheit unter anderem mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ gezeigt: Die SPD-geführte Regierungskoalition startete, trotz fehlender Zuständigkeit des Bundes, das größte Schulbauprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik, bei dem der Bund die Länder in den Jahren 2003-2007 mit insgesamt vier Milliarden Euro beim Aus- und Umbau des Ganztagsschulangebotes unterstützte. Für den Ausbau der Kinderbetreuung stellt der Bund außerdem bis 2013 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung, ab 2014 erhalten die Länder dann aus einer Neuverteilung der Umsatzsteuer 770 Millionen Euro im Jahr für die Betriebskosten - weil wir uns für eine solide Finanzierung eingesetzt haben. Diese Beispiele zeigen deutlich, dass Voraussetzungen für eine kooperationsfreundliche Öffnung im Grundgesetz geschaffen werden müssen, so dass der Bund und die Länder immer dann, wenn es sinnvoll und politisch gewünscht ist, gemeinsam handeln können. Das totale Kooperationsverbot der Union bei der Föderalismusreform konnte die SPD mit der Durchsetzung des Kooperationsartikels 91b Grundgesetz verhindern. Somit bleiben wenigstens im Hochschulbereich weiterhin gemeinsame Programme von Bund und Ländern möglich. Auf Initiative der SPD konnte auch das Kooperationsverbot in Artikel 104b Grundgesetz aus dem Jahr 2006 etwas gelockert werden. Insgesamt 13,3 Milliarden Euro, davon zehn Milliarden vom Bund und 3,3 Milliarden von den Ländern, konnten damit in das kommunale Investitionsprogramm der Länder investiert werden.
Als ehemalige Berufsschullehrerin bin ich mir der Brisanz dieses Themas bewusst. Zwölf Jahre lang habe ich in Baden-Baden junge Menschen ausgebildet. Daher weiß ich, dass wir jedem Kind die Chance auf gute Bildung und Ausbildung geben müssen. Zusammen mit der SPD werde ich mich gegen die derzeitige unverantwortliche Steuersenkungspolitik der neuen Bundesregierung, bei der den Ländern und Kommunen die finanzielle Grundlage entzogen wird, einsetzen.
Sollten Sie noch weitere Rückfragen haben, können Sie sich gern an die Mitarbeiterinnen in meinem Berliner Büro wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Mittelbadische Bundestagsabgeordnete
Nicolette Kressl