Frage an Nicole Westig von Ludwig T. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Westig,
der Bayrische Rundfunk berichtet dieser Tage über die Überlastung des Personals in deutschen Kliniken. https://www.br.de/nachrichten/bayern/ueberlastet-in-die-vierte-welle-klinikpersonal-schlaegt-alarm,SeNAPXF. Die beschriebenen Zustände sind kein Einzelfall und gefährden die Gesundheitsversorgung in Deutschland.
2019 haben DKG, Ver.di und DPR mit der PPR 2.0 ein Instrument zur Bedarfsbemessung von Pflegepersonal vorgelegt. Wie stehen Sie zur sofortigen Umsetzung der PPR 2.0 oder welche alternativen Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Versorgung schlagen Sie vor, nachdem weder die Herausnahme der Pflege aus den Fallpauschalen noch die Einführung von Personaluntergrenzen den nötigen Effekt erzielt haben?
Freundliche Grüße
Ludwig Thiry
Sehr geehrter Herr Thiry,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Ich begrüße den Vorschlag von ver.di, DKG und DPR, die PPR 2.0 als "lernendes System" zur Personalbemessung im Krankenhaus auf den Weg zu bringen. Die PPR wird seit Jahren in vielen Häusern als Instrument zum Benchmarking benutzt, die Grundlagen für eine kurzfristige Weiterentwicklung sind also vorhanden. Jetzt gilt es, diese zu nutzen und schnell eine bedarfsgerechte Personalbemessung auf den Weg zu bringen. Zwei Dinge sind mir hier besonders wichtig:
Zum einen müssen wir die PPR 2.0 insgesamt zu einem flexibleren Instrument entwickeln, das das ganze Krankenhaus in den Blick nimmt und Personalplanung auch mit Blick auf Leistungsspitzen in einzelnen Abteilungen bedarfsgerecht ermöglicht. Daher muss der sogenannte "Ganzhaus-Ansatz" unbedingt Teil dieses Personalbemessungsinstrumentes sein. Die Aussetzung der PPUgV unter der Corona-Pandemie hat gezeigt, dass sie nicht geeignet ist, auf Krisensituationen und kurzfristig geänderten Personalbedarf zu reagieren, was verständlicherweise bei den Pflegenden für Unmut gesorgt hat.
Zum anderen brauchen wir Forschung und Untersuchungen zu der Frage, welche besonderen Bedarfe Funktionsabteilungen und Hochleistungsbereiche wie die Intensivstationen oder die Neonatologie haben. Anders kann eine passgenaue Personalplanung gar nicht erarbeitet werden. Und nur so werden wir langfristig eine qualitativ hochwertige Versorgung bei gleichzeitiger Entlastung der Pflegekräfte erreichen.
Darüber hinaus bin ich der Meinung, das gerade innerhalb der einzelnen Abteilungen die Pflegefachkräfte über die Kompetenz und die praktische Erfahrung verfügen, um eine bedarfsgerechte Personalplanung umzusetzen. Sie müssen also viel stärker eingebunden werden. Das kommt den Patienten und den Pflegenden zugute und steigert nicht nur die Versorgungsqualität, sondern auch die Arbeitszufriedenheit.
Die PPR 2.0 ist nicht perfekt, aber sie ist ein guter Anfang. Es gilt, endlich etwas zu tun, statt nur Maßnahmen anzukündigen. Leider blockiert das Bundesgesundheitsministerium dies noch mit Hinweis auf bestehende Bedenken. Ich würde mir für die Beschäftigten in der Pflege an dieser Stelle mehr Tatkraft wünschen, denn ich bin mir sicher, dass gerade die Weiterentwicklung in der Praxis ein erfolgreiches Instrument hervorbringen würde.
Ich hoffe, mit meiner Antwort konnte ich Ihnen meine Positionen zu diesem Thema näherbringen.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Westig