Frage an Nicole Maisch von Herbert R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Unabhängige Wissenschaft oder Lobbyismus im Kostüm der Wissenschaft?
Sehr geehrte Frau Maisch,
Professor Raffelhüschen war Regierungsberater bei der Rentenreform und gilt / galt als unabhängiger Rentenexperte. Seine Verbindungen zur Versicherungsbranche sollten Ihnen bekannt sein.
http://www.swr.de/odysso/die-rentenluege/-/id=1046894/did=3286148/nid=1046894/10o4h9j/
Professor Peter O. Mülbert wurde als Experte im Bundestags-Rechtsausschuss gehört.
https://www.test.de/Immobilienkredite-So-kommen-Sie-aus-teuren-Kreditvertraegen-raus-4718800-4926283/ (Eintrag vom 22.11.2016)
Prof. Mülberts Institut wird von der Finanzbranche getragen.
Ist es nicht hochproblematisch, wenn Wissenschaft von interessierten Kreisen gesponsert / finanziert / „gekapert“ wird? Ergeben sich hier nicht ungute Abhängigkeiten und massive Interessenskonflikte? Wessen Brot ich esse.....
Besteht nicht die große Gefahr, dass sich Wissenschaft so mehr und mehr in Lobbyismus verwandelt (Lobbyismus im Kostüm der Wissenschaft)?
Frau Maisch: betrachten Sie diese Entwicklung etwa positiv (gut für eine Demokratie)? Falls nein, was unternehmen Sie persönlich gegen diese Entwicklung?
Vielen Dank für Ihre Rückantwort.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Richter
Sehr geehrter Herr Richter,
vielen Dank für Ihre Frage. Natürlich können sich aus Sponsoring und geschäftlichen Verbindungen Abhängigkeiten und Interessenskonflikte für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ergeben.
Wir sehen einen deshalb großen Bedarf an mehr Transparenz und Aufklärung. Neue Regelungen sollten jedoch auch nicht dazu führen, dass es keinerlei Zusammenarbeit mehr zwischen Unternehmen und Hochschulen geben kann. Schließlich können in vielen Bereichen auch produktive Kooperationsbeziehungen entstehen.
Eine unabhängige Wissenschaft ist ein hohes Gut und es ist eine Aufgabe der Politik, dafür die notwenigen - auch finanziellen- Rahmenbedingungen zu schaffen. Schließlich kann eine freie und objektive Wissenschaft auch ein wichtiger Impuls- und Ratgeber für die Politik sein. Soweit auf eine externe Finanzierung zurückgegriffen wird, wollen wir, dass möglicherweise bestehende Interessenkonflikte transparent ausgewiesen werden. Alle Nebentätigkeiten der Forschenden sind offenzulegen. Wir appellieren dabei auch an Wissenschaftsorganisationen über gesetzliche Regelungen hinaus, eigenständig faire und transparente Regeln und Standards für Kooperationsbeziehungen zu entwickeln. Dadurch können Interessenskonflikte austariert, Fairness im Umgang hergestellt und Kooperationen auf Augenhöhe sichergestellt werden. Um diese Anliegen zu unterstreichen, hat die grüne Bundestagsfraktion auch einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, den Sie hier finden: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/110/1711029.pdf
Dann können auch die Abgeordneten entscheiden, ob sie Wissenschaftler wie Herrn Mülbert oder Herrn Raffelhüschen als Experten zu Anhörungen einladen und die Statements entsprechend einordnen.
Wir Bündnisgrüne machen uns auch für mehr Transparenz im politischen Raum stark, bspw. in dem folgenden Antrag: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/039/1803920.pdf .
Auf nationaler und europäischer Ebene setzen wir uns seit Langem für die Einführung eines Lobbyregisters ein, das endlich mehr Transparenz schafft, sodass Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, wer auf die eine oder andere Art an einer Gesetzesformulierung mitgewirkt hat. Aus unserer Sicht stellt Lobbytransparenz keine Gefahr für das freie Mandat dar, sondern unterstützt den Gemeinwohlauftrag der Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Maisch