Frage an Nicole Maisch von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Maisch,
die meisten Bundesbürger sind bekanntlich Nichtjuristen und deshalb ist die nachfolgende Frage nicht nur für mich interessant.
Folgender theoretischer Fall: Das Grundgesetz verpflichtet den Bundestag
zur Verabschiedung eines Rahmengesetzes. Dieser bleibt aber untätig.
Wer ist bei welchem Gericht klageberechtigt?
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth
Sehr geehrter Herr Reth,
vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich im Folgenden gerne eingehen möchte.
Es ist nicht vorgesehen, dass eine gerichtliche Klage auf Tätigwerden des Gesetzgebers erhoben werden kann. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist es vornehmlich die Sache des Gesetzgebers, "zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will" (sog. Einschätzungsprärogative, siehe https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2007/03/rk20070326_1bvr222802.html). Es obliegt im Wesentlichen also allein dem Gesetzgeber, zu entscheiden, wann und in welcher Form er Gesetze erlässt. Diese Regelung liegt im Gewaltenteilungsprinzip (Legislative, Judikative und Exekutive) und dem Demokratieprinzip begründet. Nur für beschlossene Gesetze, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig sind, kann das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgeben, Neuregelungen zu treffen (siehe beispielsweise beim Erbschaftsteuer- und Schenkungssteuergesetz sowie Bundeswahlgesetz). Es gibt aber andere Möglichkeiten, um den Gesetzgeber auf ein bestimmtes Thema aufmerksam zu machen oder auf Defizite hinzuweisen, zum Beispiel Petitionen.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Maisch