Frage an Nicole Maisch von Frederic B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Maisch,
aus eigenem Interesse verfolge ich den Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum sog. "Kinderwunschgesetz" (http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/378/37846.html). Können Sie erläutern, wann hier mit einer Beratung im Bundestag zu rechnen ist und wie Sie und Ihre Partei zu diesem Entwurf stehen, vor Allem vor dem Hintergrund der immer älter werdenden Bevölkerung und der sinkenden Geburtenzahlen? Die finanzielle Belastung einer Kinderwunschbehandlung ist für meine Frau und mich nicht unerheblich. Eine Förderung des Kinderwunsches beruflich und privat mit beiden Beinen im Leben stehender Ehepaare sollte dem Staat meiner Meinung nach eigentlich ein Anliegen sein.
Mit freundlichem Gruß
Frederic Beister
Sehr geehrter Herr Beister,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Ungewollte Kinderlosigkeit ist für Frauen und Männer eine schwere Belastung. Deshalb finde ich es richtig, dass sich die Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen an den Kosten von Kinderwunschbehandlungen beteiligt.
Darüber hinaus ist es mir persönlich auch wichtig, die möglichen Ursachen von Unfruchtbarkeit anzugehen. Deshalb kämpfe ich seit Jahren gegen hormonell wirksame Giftstoffe in Spielzeugen und in Nahrungsmitteln und gegen die Verunreinigung des Grundwassers durch solche Stoffe.
Außerdem halte ich es für notwendig, dass Kinderbetreuungseinrichtungen an Universitäten, Möglichkeiten zum Teilzeitstudium und zur Teilzeitausbildung sowie ein familienfreundliches Klima in den Unternehmen geschaffen werden, so dass junge Karrieren nicht mit einer Schwangerschaft aufs Abstellgleis geschoben werden.
Zum Verfahren des „Kinderwunschgesetzes“
Der Bundesrat hat im März 2012 beschlossen, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen, der eine zusätzliche 25%-ige Finanzierung der von der GKV mitfinanzierten drei Versuche einer künstlichen Befruchtung aus dem Bundeshaushalt vorsieht. Dieser Gesetzentwurf dürfte im Bundestag jedoch keine Mehrheit erhalten. Denn die Bundesregierung hat im Haushaltausschuss des Bundestages Ende März 2012 eine Haushaltssperre aufheben lassen.
Maximal 7 Millionen Euro sollen in Zukunft aus dem Haushalt des Familienministeriums jährlich zur Verfügung gestellt werden, um gesetzlich krankenversicherte Paare, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen, finanziell zu unterstützen. Beim 1.-3. Versuch sollen zusätzliche 25% der Gesamtkosten übernommen werden, bei einem vierten Versuch 50% (ohne Beteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung). Geknüpft ist diese Leistung jedoch an mehrere Bedingungen: Das jeweilige Bundesland muss sich zu 50% an den, den Staat betreffenden Kosten beteiligen.
Ein Rechtanspruch auf die Leistung besteht nicht. Dies bedeutet, dass die Bundesregierung entweder fest damit rechnet, dass viele Landesregierungen nicht bereit sein werden, sich finanziell zu beteiligen und damit kaum Anträge gestellt werden, oder ihr ist bewusst, dass nur ein Teil der Paare von dieser Leistung partizipieren kann und andere leer ausgehen werden.
Finanzielle Unterstützung der GKV nur bis zu einer bestimmten Altersgrenze und Anzahl der Versuche
Das deutsche InVitroFertilisations-Register 2010 zeigt, dass bei Frauen über 40 Jahren die Zahl der klinischen Schwangerschaften sinkt und gleichzeitig bei eingetretenen Schwangerschaften die Wahrscheinlichkeit eines Aborts massiv steigt. Daher wurden die geltenden Altersgrenzen für Frauen und Männer (50 Jahre) auch vom Bundessozialgericht bestätigt.
Gesetzlich versicherte Ehepaare bekommen 50 % der Kosten für drei Versuche von der GKV finanziert – unter der Voraussetzung der begrenzten Anzahl der Versuche und der Altersgrenzen.
Zusätzliche Hilfe für Paare mit geringerem Einkommen
Darüber hinaus plädieren wir Grünen dafür, dass für gesetzlich versicherte Ehepaare mit einem Einkommen unterhalb des Bruttodurchschnittsentgelts – dieses beträgt 2012 monatlich 2.625 € (West) bzw. 2.240 € (Ost) – zusätzlich ein Viertel der Gesamtkosten über Bundesmittel erstattet werden sollen. Die Abwicklung soll über die gesetzliche Krankenversicherung erfolgen, der der Bund diesen zusätzlichen Zuschuss erstattet. Diese Maßnahme würde Ehepaaren mit geringem Einkommen den Zugang zur Behandlung deutlich erleichtern.
Nicht-verheiratete Paare gleichstellen
Nicht verheiratete Paare, die unter einer nicht behandelbaren Unfruchtbarkeit leiden, erhalten derzeit keine hälftige Finanzierung der ersten drei Versuche bei der mit einer homologen (eigenen) Samenspende verbundenen künstlichen Befruchtung. Dies ist aus grüner familienpolitischer Perspektive nicht nachvollziehbar. Bei einer IVF/ICSI-Behandlung mit eigenem Samen sollen nicht-verheiratete mit verheirateten Paaren durch den oben genannten staatlichen Zuschuss gleich gestellt werden.
Psychosoziale Beratung
Wir Grünen setzen uns für den Ausbau einer unabhängigen psychosozialen Beratung rund um das Thema Kinderlosigkeit ein. Frauen und Männer müssen jederzeit über die Verfahren, deren Möglichkeiten und Grenzen informiert werden. Dazu gehören etwa Informationen über die Risiken und die (Miss-)Erfolgsaussichten der Reproduktionsmedizin, aber auch Begleitung und Beratung, beispielsweise bei der Frage nach dem Stellenwert eines leiblichen Kindes, die Möglichkeit auf eine Samenspende zurückzugreifen, welche anderen Möglichkeiten des Zusammenlebens mit Kindern (wie Pflegschaft oder Adoption) bzw. welche alternativen Lebensentwürfe es geben könnte.
Derzeit befindet sich der Gesetzesentwurf noch im Verfahren. Gerne informiere ich Sie diesbezüglich aber über die weiteren Abstimmungsprozesse.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau viel Erfolg!
Nicole Maisch