Frage an Nicole Maisch von Martin L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Nicole Maisch,
als grünes Mitglied aus Kassel, ev. Christ und nicht zwingend Papst-Freund habe ich eine Frage. Auf der Homepage heisst es: "Ich gehe nicht zur Papstrede. Wenn der Papst als Oberhaupt einer Religionsgemeinschaft vor dem Deutschen Bundestag spricht, verletzt das die Trennung von Kirche und Staat. Da mache ich nicht mit."
Darf ich davon ausgehen, dass Du/Sie dann einer möglichen Rede des Dalai Lama selbstverständlich auch fern bleiben würdest/würden?
Mir geht es hier vor allem darum, dass eine kritische Haltung zu Inhalten der katholischen Kirche auch direkt benannt werden sollte und dies dann mutigerweise auch als Grund benannt werden sollte und nicht vorgeschoben die religiöse Neutralität des Bundestages benannt wird.
Ich unterstelle nämlich mal, dass mind. 50% der nun abwesenden Abgeordneten beim Dalai Lama in der ersten Reihe sitzen würden, da der Buddhismus ja doch irgendwie hipp ist.
Ich will das Fernbleiben nicht unbedingt kritisieren, das ist jedem selbst überlassen. Ich finde nur, dass auch die christliche Kirche und auch die katholische Kirche durchaus ihren positiven Beitrag an dieser Gesellschaft trägt und dieses stände pauschale "Verteufeln" der katholischen Kirche geht mit als ev. Christ doch reichlich auf die Nerven. Aber wie gesagt, ich unterstelle hier, dass oben gannante. Wenn konsequenterweise eine Rede des Dalai Lama in einem Parlament auch boykottiert wprde, nehme ich alle Unterstellungen zurück.
Lieber Martin Lometsch,
wie schon gesagt: mir geht es um die weltanschauliche Neutralität des Staates. Folglich möchte ich auch nicht, dass andere religiöse Führer vor dem Deutschen Bundestag sprechen. Es gib andere, passendere Orte zur Begegnung zwischen Religion und Politik.
Ich hoffe, dass ich nicht ein weiteres Mal in die Zwickmühle gerate, unhöflich zu einem geladenen Gast sein zu müssen, um die Trennung von Religion und Staat hochzuhalten, würde es aber auch im Falle des Dalai Lama oder eines beliebigen anderen religiösen Führers tun.
Die pauschal feindselige Haltung zur (katholischen) Kirche, die Du mir in der Frage unterstellst, weise ich zurück.
Die Kirchen sind für mich wichtige Diskussionspartner in vielen gesellschaftlich relevanten Fragen. Gerade im Bereich der Entwicklungspolitik schätze ich zum Beispiel das Engagement der christlichen Organisationen sehr, die mutig Stellung beziehen gegen Landraub und immer wieder den Hunger in der Welt anprangern.
Ich bin auch weit entfernt davon, einen aggressiven Laizismus zu vertreten, der sich etwa gegen die Mitfinanzierung von Privatschulen in kirchlicher Trägerschaft richten würde (nachzulesen im letzten Grünen Landtagswahlprogramm für Hessen).
Deinen Vorwurf, ich würde die Kirche (also Millionen von Gläubigen oder zumindest Mitgliedern) „verteufeln“, finde ich also daneben.
Da Du vermutest, ich würde meine inhaltlichen Differenzen mit der Lehrmeinung der katholischen Kirche hinter formalen Begründungen verstecken, hier nochmal ein paar Punkte, die seit langem in grünen Wahlprogrammen oder Anträgen stehen und die ich immer öffentlich vertreten habe:
- Meiner Meinung nach sollten homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen und natürlich auch heiraten dürfen, wenn sie das wollen.
- Ich lehne jede Verschärfung der Fristenregelung zum §218 ab.
- Ich halte Kondome für ein sinnvolles Mittel zur AIDS-Prävention und begrüße es, dass die Krankenkassen die Kosten für Verhütungsmittel für junge Frauen übernehmen.
- Ich trete für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen ein.
- Ich finde es richtig, dass das deutsche Recht uneheliche Kinder weitgehend mit ehelich geborenen gleichstellt und halte das Ehegattensplitting für etwas, das so schnell wie möglich auslaufen sollte.
Du sagst, ich hätte „mutiger weise“ solche offensichtlichen Differenzen mit den Inhalten der katholischen Kirche als Begründung für mein Fernbleiben anführen sollen.
Lieber Martin Lometsch,
um zu oben genannten Überzeugungen zu stehen, braucht es in unserer Gesellschaft glücklicherweise nicht besonders viel Mut. Das das so ist, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die politische Macht der katholischen Kirche in Deutschland eng begrenzt ist - und das soll auch so bleiben.
Herzliche Grüße
Nicole Maisch