Frage an Nicole Maisch von Markus R. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau Maisch,
als ich mir vor Kurzem ein neues Notebook kaufen wollte, stieß ich auf einen Zeitungsartikel, welcher die teils menschenunwürdigen Zustände in den chinesischen IT-Fertigungsfabriken beschrieb (Lohn-Dumping, 16 Stunden Schichten, Vernachlässigung von Arbeitsschutzmaßnahmen usw...).
Auf der Suche nach einem neuen Notebook musste ich erkennen, dass praktisch alle in Deutschland vertretenen Hersteller ihre Geräte bei einigen wenigen chinesischen Konzernen produzieren lassen, welche für ihre desolaten Arbeitsbedingungen kritisiert werden. Genauso verhält es sich bei Handys/Smartphones, Unterhaltungselektronik und anderen technischen Geräten. Auch die Rohstoffe für IT-Produkte, die sogenannten "seltenen Erden" werden ja auch zu einem großen Teil aus Afrika bezogen (z.B. dem Bürgerkriegsgebiet der Republik Kongo).
Ich frage Sie als verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, ob es in Ihrer Fraktion Bestrebungen gibt, dieses Problemfeld zu thematisieren. Man könnte doch beispielsweise ein "Elektronik Fair Trade Siegel" für faire Produktionsbedingungen einführen, oder an eine Selbstverpflichtung der Hersteller denken. Gibt es Ihres Wissen nach diesbezüglich irgendwelche politische Bestrebungen auf nationaler oder europäischer Ebene?
Gerade da man auch immer mehr Abgeordnete mit iPad im Plenum des Bundestages sieht, sollte man doch darüber nachdenken, ob nicht ein "Fair Trade" IT-Produkt genauso erstrebenswert ist, wie die Fair Trade Kaffeebohne - der bewusste Verbraucher in Deutschland würde sicherlich auch mehr für den fair hergestellten PC bezahlen. Bezüglich energiesparender Elektronik (Stichwort "Green IT") gibt es ja schon seit Jahren entsprechende Bestrebungen, wie ich finde sollte man in dieser Hinsicht auch Anstrengungen unternehmen um faire Arbeitsbedingungen im Bereich der Produktion von Elektronik-Produkten einzufordern. Was meinen Sie dazu?
Beste Grüße, Markus Reichel.
Sehr geehrter Herr Reichel,
vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihre Anregungen, über ein Fair Trade Siegel für Elektronik Produkte nachzudenken.
Die grüne Bundestagsfraktion befasst sich bereits seit längerem mit der Problematik, dass für die Verbraucherinnen und Verbraucher häufig nicht klar erkennbar ist, was tatsächlich hinter einem Produkt steckt - woher die Inhaltsstoffe stammen, oder unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden.
Im Ernährungsbereich haben wir das Problem, mit unzählig vielen verschiedenen Siegeln und Labeln überflutet zu werden, die alle Nachhaltigkeit versprechen und dadurch zu Verwirrungen führen, welchem Siegel man tatsächlich Vertrauen schenken kann. In anderen Bereichen, wie etwa bei Technologieprodukten fehlen Kennzeichnungen häufig vollständig oder spiegeln nur bestimmte Teile des Herstellungsprozesses wider, wie beispielsweise die Umweltverträglichkeit der Produkte bzw. Produktionsprozesse (Blauer Engel; ISO-Normen). Ob bei der Herstellung der Produkte Sozialstandards wie faire Arbeitslöhne, keine Kinderarbeit und die Beachtung der Menschenrechte eingehalten werden, ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher sehr oft nicht erkennbar. Die Einführung eines Fair-Trade-Siegels u.a. auch für Elektronikprodukte halten wir im Sinne des Verbraucherschutzes für eine gute Maßnahme.
Die grüne Bundestagsfraktion befindet sich derzeit in einem Dialogprozess, um Nachhaltigkeit bei Produkten, Produktionsprozessen und Dienstleitungen für Verbraucherinnen und Verbraucher besser erkennbar zu machen. Am 21.10.2011 machen wir dazu im Bundestag eine Veranstaltung unter dem Titel "Nachhaltigkeitssiegel - Strategischen Konsum stärken": http://www.gruene-bundestag.de/cms/termine/dok/390/390900.nachhaltigkeitssiegel_strategischen_kons.html.
Neben besseren Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher setzen wir uns für eine nachhaltige und faire Rohstoffpolitik ein. Dafür brauchen wir nationale und globale Regulierungsansätze, die eine gerechte Verteilung und Entwicklungschancen für rohstoffreiche Entwicklungsländer sicherstellen. Dafür sind faire Wirtschaftspartnerschaften mit rohstoffreichen Entwicklungsländern auf Augenhöhe notwendig. Die nachhaltige Nutzung der Rohstoffe und die Steigerung der Wertschöpfung vor Ort stehen dabei an erster Stelle. Notwendig sind zudem Innovationen im Bereich Recycling, Einsparung und Substitution von Rohstoffen und seltenen Erden, um die Verwendung knapper Rohstoffe zu verringern, diese wieder zu verwenden und durch günstigere und umweltschonendere Rohstoffe zu ersetzen. Um das Recycling zu stärken, muss aus unserer Sicht auch die Produktverantwortung weiterentwickelt werden.
Außerdem schlagen wir u.a. eine Zertifizierung von Handelsketten, die Übertragung des US-amerikanischen Dodd-Franc-Act zu Konfliktmetallen auf EU-Ebene sowie die Verpflichtung von Unternehmen auf OECD-Leitsätze zu Menschenrechten und Umweltschutz vor. Am 1. September hat die Grüne Bundestagsfraktion einen Beschluss zur Rohstoffstrategie gefasst, den Sie hier abrufen können: http://www.gruene-bundestag.de/cms/beschluesse/dokbin/389/389416.gruene_rohstoffstrategie.pdf.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Maisch