Frage an Nicole Maisch von Doris W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Maisch,
können Sie sich irgendwie zugunsten der Hebammen in die politische Diskussion enbringen?
Mit Fassungslosigkeit und Wut haben die im Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) organisierten Hebammen das Ergebnis der Vergütungsverhandlungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vom 5. Oktober zur Kenntnis genommen. Während der GKV die Hebammen exakt drei Monate vorher unter den Augen „neutraler Schlichter“ mit Minimal-Erhöhungen brüskierte, die es keiner Hebamme erlauben, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit zu verdienen, schüttete der gleiche GKV nun ein Füllhorn von einer Milliarde Euro über die niedergelassenen Kassenärzte aus. Zum Vergleich: für Hebammenhilfe gibt der GKV alljährlich insgesamt gerade einmal 360 Millionen Euro aus.
Rein rechnerisch darf sich jeder der 150.000 Kassenärzte jetzt über fast 6.700 Euro mehr im Jahr freuen, während eine selbständige Hebamme im Durchschnitt die ersten 12 begleiteten Geburten im Jahr umsonst arbeiten muss, um allein nur die ins uferlose steigenden Haftpflichtprämien bezahlen zu können. Dies alles, nachdem die Ärztehonorare bereits im vergangenen Jahr um 6,1 % gestiegen waren. Geradezu zynisch klingt es in den Ohren von Hebammen, wenn ein KBV-Funktionär sagt, noch höhere Vergütungen wären durchaus möglich gewesen, weil diese bereits im Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung für 2011 eingepreist seien. Den etwa 19.000 Hebammen hält man hingegen vor, man könne die Beitragsstabilität nicht aus den Augen verlieren.
Tausende von Hebammen haben in den vergangenen Jahren mangels wirtschaftlicher Perspektive ihren Beruf aufgeben müssen. Die garantierte freie Wahl des Geburtsortes (Klinik, Hausgeburt, Geburtshaus) ist schon heute insbesondere in vielen ländlichen Gebieten zur reinen Farce verkommen.
Mit freundlichem Gruß
Doris Wimmer-Hempfling
Sehr geehrte Frau Wimmer-Hempfling,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Die bündnisgrüne Bundestagsfraktion setzt sich bereits seit vielen Jahren für die Anliegen der Hebammen, unter anderem für ein angemessene Honorierung ein. Mehr dazu unter:
Aktuell ist unser Ziel, die Verhandlungsposition der Hebammenverbände kurz- und längerfristig gegenüber den Krankenkassen zu stärken.
Wir Grüne haben dafür gesorgt, dass der GKV-Spitzenverband im Juni 2010 in den Gesundheitsausschuss eingeladen wurde, um ihm die Erwartungen der (meisten) Fraktionen vorzutragen, dass sich bei der Honorierung der Hebammenleistungen etwas bewegt. Die Wirkung war jedoch mäßig. Als äußerst unglücklich empfanden wir, dass sich das Bundesgesundheitsministerium in der öffentlichen Anhörung des Petitionsausschusses die Angaben des GKV-Spitzenverbandes ohne Überprüfung zu eigen machte und damit Kosten für Geburten zu Hause beziehungsweise im Geburtshaus und in Krankenhäusern verzerrt darstellte. Dies haben wir öffentlich kritisiert und uns auf die Seite der Hebammen gestellt. Siehe PM vom 28.6.2010 http://www.gruene-bundestag.de/cms/presse/dok/345/345720.gesundheitsministerium_laesst_hebammen_i.html
Biggi Bender hat nach der öffentlichen Anhörung im Petitionsausschuss zwei schriftliche Fragen an die Bundesregierung gestellt. Zum einen fragt sie, welche Gesetzesänderungen notwendig sind, um eine Zusammenführung und Auswertung der Abrechnungsdaten der Hebammenleistungen aller Krankenversicherungen vorzunehmen und so einen besseren Überblick über die IST-Situation zu erhalten. Zum zweiten fordert sie eine Klarstellung, wer für die Sicherstellung mit Hebammenleistungen zuständig ist. Denn hierzu gab es in der Anhörung unterschiedliche Behauptungen: Krankenkassen oder Bundesländer.
Unser Antrag „Erhebung von Daten zu der Versorgung mit Hebammenhilfe sowie zur Arbeits- und Einkommenssituation von Hebammen und Entbindungspflegern sicherstellen“ (Bundestagsdrucksache 17/1587) zielt darauf ab, langfristig die Verhandlungsposition der Hebammen zu stärken. Damit soll eine unabhängige Grundlage geschaffen werden, damit der nach § 134 a SGB V zu berücksichtigende „Bedarf der Versicherten an Hebammenhilfe und deren Qualität“ sowie die „berechtigten wirtschaftlichen Interessen der freiberuflichen Hebammen“ angemessen in den Verhandlungen Berücksichtigung finden.
Es ist uns wichtig, Folgendes zu erklären: Wir versuchen für die Probleme der Hebammen(versorgung) Lösungen zu finden, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern die Aussicht bieten, umgesetzt zu werden. Eine wörtliche Übernahme mancher Ideen, die uns erreichen, in einen parlamentarischen Antrag würde uns gewiss kurzfristig Beifall sichern, aber keine Aussicht auf reale Verbesserungen bringen.
Häufig wird für die Haftpflichtversicherung der Hebammen ein steuerfinanzierter Fonds gefordert. Damit würde gegenüber allen anderen Gesundheitsberufen eine Sonderbehandlung der Hebammen geschaffen, die nur schwer zu begründen wäre.
Auch die Idee der Linksfraktion, deshalb gleich die Haftpflichtversicherung aller Gesundheitsberufe durch die SteuerzahlerInnen zu finanzieren, ist nicht zielführend. Gewiss gehen wir davon aus, dass Hebammen mit aller notwendigen Sorgfalt ihrer Tätigkeit nachgehen. Angesichts immer wiederkehrender Behandlungsfehler, etwa im chirurgischen Bereich, wäre ein solcher Ansatz jedoch nicht patientenfreundlich. Denn er bedeutet, dass Behandlungsfehler und das Einstehen dafür keinen Zusammenhang mehr haben. Die Kosten würden alleine der Allgemeinheit aufgebürdet, die Motivation zur Vermeidung von Fehlern geringer.
Ebenfalls erreichen uns Vorschläge, die in § 134 a SGB V verankerte Verhandlungslösung auszusetzen und einmalig oder auf Dauer die Hebammenhonorare politisch festzusetzen. Dieser bis 2007 gültige Weg (Festsetzung von Honoraren durch Rechtsverordnung, die einer Zustimmung des Bundesrates bedarf), hat in der Vergangenheit weder zu angemessenen Honoraren noch zu einer umfassenderen Weiterentwicklung der Vergütungsstruktur geführt. Wir sehen nicht, dass die sich die Situation bis heute derart geändert hat, dass auf diesem Weg die von den Hebammen gewünschten deutlichen Honorarsteigerungen erzielt werden könnten.
Auch ein eigenes Sozialgesetzbuch (SGB) für Hebammen mag attraktiv klingen, verstellt aber eher den Weg zur umfassenden Absicherung der Hebammenhilfe. Schnittstellenprobleme zwischen einzelnen Sozialgesetzbüchern existieren in vielen Bereichen. Diese Probleme - bei den Hebammen zum Beispiel die Frage, ob eine Leistung durch die Krankenversicherungen erfolgt oder durch die Kinder- und Jugendhilfe zu bezahlen ist - würden durch ein eigenes SGB nicht gelöst. Wichtiger erscheint uns daher, die in der Reichsversicherungsordnung enthaltenen Regelungen zur Hebammenhilfe endlich in das für die gesetzliche Krankenversicherung zuständige SGB V zu überführen. Bisher standen wir Grünen mit dieser Forderung leider alleine da (siehe Auswertung der Bundestagswahlprüfsteine des Deutschen Hebammenverbandes). Wir hoffen, dass die aktuelle Debatte dazu führt, dass wir für dieses Anliegen endlich Unterstützung in möglichst vielen anderen Fraktionen finden.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Maisch