Frage an Nicole Ludwig von Yonatan B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Frau Ludwig,
ein ganz wichtiger Punkt für mich ist es, die Bürger mehr an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Das bedeutet für mich, u.a. die Hürden für Volksentscheide noch weiter zu senken. Das bedeutet aber auch, dass allen Kindern ab Geburt das Wahlrecht gegeben wird. Ob das dann heißt, dass zunächst die Eltern i.V. das Wahlrecht ihrer Kinder bis zu einem gewissen Alter wahrnehmen, oder aber die Kinder nach einer Willenserklärung ab einem unbestimmten Alter wählen gehen können, darüber müsste noch geredet werden - schön wäre es aber, wenn die Politiker, bedingt durch die Kinder, endlich mehr die Zukunft im Blick haben und Politik nachhaltig wird. Wie stehen Sie dazu?
Lieber Herr Baule,
Sie werfen sehr interessante Fragen auf.
Das Thema Bürgerbeteiligung finde ich sehr vielschichtig. Grundsätzlich bin ich für mehr Bürgerbeteiligung, wenn denn wirklich alle oder viele BürgerInnen wirklich teilhabe erlangen. Mir ist derzeit noch unklar, ob sich manche nicht beteiligen wollen oder sich trotz recht niedrigschwelliger Angebote immer noch nicht angesprochen fühlen (siehe Bürgerentscheid in Hamburg zu den Schulen).
Man muss zudem als PolitikerIn doch sehr aufpassen, nicht zu vorschnell den Voten der aktiven BürgerInnen zu folgen (siehe in Berlin z. B. Kastanienallee). Manchmal kommt es zu dem Phänomen, dass eine kleine, aber sehr aktive Minderheit vorgibt, für ´alle´ zu sprechen. Dabei äußern sich ´alle´ nur selten zu Wort. Dann muss ich manchmal doch sagen, dass die Politik entscheiden soll, denn wozu hat man ihr das Mandat gegeben? Sie ist es, die zwischen den diversen verlautbarten und auch nicht verlautbarten Interessen abwägen muss. Aber zugegeben: eine schwierige Aufgabe. Um zu Ihrer Frage nach dem Wahlalter zu kommen: eine Vollmacht der Eltern für Kinder lehne ich ab. Genauso wie ich persönlich ablehne, Kinder, die sich noch keine eigene Meinung bilden konnten, zu taufen. Jeder Mensch, jedes Kind sollte selbst entscheiden lernen und das Kind kann eine andere Meinung entwickeln als die Eltern. Wann der Zeitpunkt der Meinungsbildung so weit gereift ist, dass politische Wahlen ermöglicht werden, ist natürlich schwer zu bestimmen. Hier finde ich die derzeitige Lösung, mit 16 Bezirk und mit 18 Land recht gut. Ich könnte mir aber auch eine generelle Absenkung auf 16 sehr gut vorstellen, wie es auch unser Programm vorsieht.
Wesentlich wichtiger wäre mir aber derzeit, dass Menschen, die dauerhaft in Berlin leben, egal welcher Nationalität, Wahlrecht erhalten. Diesen Vorstoß der Grünen hat rot-rot leider im Juni abgelehnt. Es leben hunderttausende Menschen dauerhaft in unserer Stadt, arbeiten hier, zahlen Steuern und sind vom Wahlrecht völlig ausgeschlossen. Das ist ungerecht und nicht logisch zu erklären.
Ich hoffe, Ihre Fragen umfassend beantwortet zu haben. Gerne können Sie mich auch direkt kontaktieren: nicole.ludwig@gruene-berlin.de
Mit besten Grüßen
Nicole Ludwig