Frage an Nicole Gohlke von Florian L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Gohlke,
Mich wuerde interressieren, wie sie die Auslandseinsaetze der Bundeswehr beurteilen. Insbesondere wuerde ich gerne wissen, ob Sie eine Verlaengerung oder gar Ausdehnung des Einsatzes in Afghanistan fuer sinnvoll und zweckmaessig erachten, also: ist es legitim, auch wenn man dazu militaerische MIttel einsetzen und damit verbunden den tot deutscher Soldaten hinnehmen muss, in einem anderen Staat soz. Demokratie zu verbreiten?
Vielen Dank fuer Ihre Bemuehungen und weiter viel Erfoolg bei ihrer politischen Karriere,
Mit freundlichen Gruessen, Florian Lechner !
Sehr geehrter Herr Lechner,
vielen Dank für Ihre Frage zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und zum Krieg in Afghanistan. Bereits im Bundestagswahlkampf spielte diese Frage eine wichtige Rolle. Ich habe sie damals folgendermaßen beantwortet:
Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Tatsachen festzustellen: Erstens haben die Taliban in den letzten Monaten und Jahren immer weiter an Zustimmung gewinnen können. Ursache für diese wachsende Popularität ist meines Erachtens in erster Linie die Besatzung.
Bombardierungen von Hochzeitsgesellschaften, Straßensperren, Drangsalierungen und Zerstörung von landwirtschaftlichen Nutzflächen über Jahre hinweg führen nicht zu einer steigenden Unterstützung für den "Westen" sondern zu ihrem Gegenteil. Der ehemalige afghanische Innenminister, Ali Ahmad Jalali, sagte über die wachsende Unterstützung der Taliban: "Was die Menschen bewegt, ist nicht Ideologie, sondern eine instabile Umgebung zwischen den bestehenden Netzwerken von Clans, Stämmen, unzufriedenen Leuten, Drogenhändlern, Opportunisten und arbeitslosen Jugendlichen." Die kanadische Denkfabrik Senlis Council analysiert, dass der Großteil des Widerstands aus "armutsgetriebenen ‘Graswurzelgruppen’” besteht.
Die Bundesregierung genauso wie Grüne und FDP argumentieren zweitens, dass die ISAF-Truppen für den Wiederaufbau des Landes in Afghanistan stationiert sind. Dennoch ist festzuhalten, dass bislang über 150 Milliarden Dollar für den Krieg in Afghanistan ausgegeben wurden, während nichtmal 10 Milliarden Dollar in humanitäre Hilfsleistungen für die Menschen investiert wurden. Ein großer Teil dieser "Hilfsleistungen" wandert aber gleichzeitig direkt in die Taschen von korrupten Politikern oder westlichen Konzernen, die von der NATO zerstörte Infrastruktur wieder instand setzen, ohne dabei irgendeinem Afghanen berufliche Perspektiven zu bieten. Die Fortsetzung der militärischen Besatzung wird keineswegs die Taliban besiegen können, sondern im Gegenteil - sie wird die Menschen den Taliban weiter in die Arme treiben.
Zur zweiten Frage, ob es eine militärische Lösung geben kann, möchte ich den ehemaligen militärpolitischen Berater der deutschen Botschaft in Kabul zitieren, der im Mai 2007 an das Auswärtige Amt schrieb: "Die ständige Forderung nach Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen Engagements, das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl ziviler Opfer verdeutlichen die Ungeeignetheit und Ausweglosigkeit der militärischen Gewalt als Lösung der inneren und äußeren gesellschaftlichen Probleme Afghanistans. (…)Es ist unerträglich, dass unsere Koalitionstruppen und ISAF inzwischen bewusst Teile der Zivilgesellschaft ... bekämpfen. ... Es gibt keine Entschuldigung für das durch unsere westlichen Militärs erzeugte Leid..."
Für weitere ausführlichere Hintergrundinformationen zum Afghanistankrieg möchte ich ihnen noch zwei Publikationen der LINKEN ans Herz legen, die kostenlos erhältlich sind: Zuerst eine Broschüre mit dem Titel "Bundeswehr raus aus Afghanistan!", die unter http://die-linke.de/fileadmin/download/aktionen/bundeswehr_raus_aus_afghanistan/080530_afghanistan_info.pdf heruntergeladen werden kann und zweitens ein Büchlein der Bundestagsfraktion mit dem Titel "Den Krieg beenden - Frieden für Afghanistan!", welches unter http://dokumente.linksfraktion.net/pdfdownloads/7761174820.pdf verfügbar ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Gohlke