Frage an Nicole Gohlke von Jannis K. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Gohlke,
in Ihrer Antwort an Herrn B. stellen Sie die Hartz IV-Gesetze als "menschenunwürdig" dar. Zwar höre ich immer mehr, dass dies der allgemeine Tenor in der Bevölkerung ist, aber ich kann das nicht verstehen. Wenn Experten der Meinung sind, dass ALGII zum (über)leben ausreichend ist, sollte man dem doch Glauben schenken und mehr als ein Übergang soll HartzIV auch überhaupt nicht sein, denn den Menschen soll ein Anreiz gegeben werden, einen neue Arbeit anzunehmen.
Außerdem möchte ich von Ihnen wissen, wie Sie zum dreigliedrigen Schulsystem stehen.
Dieses Thema liegt mir wirklich am Herzen. Ich weiß, dass Sie sich nicht in die Politik der Bundesländer einmischen können, aber vielleicht wissen Sie Genaueres, ob sich in der Regierung Stimmen laut machen, die behaupten, dass es zu einer Systemsänderung kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Jannis Krampe
Hallo Herr Krampe,
dass Hartz IV nur eine "Zwischenlösung" ist, bis der/die Betroffene wieder in einem festen und angemessen entlohnten Arbeitsverhältnis ist, ist leider nicht viel mehr als eine theoretische Überlegung - die Realität sieht gerade in Zeiten der Weltwirtschaftskrise ganz anders aus. Langzeitarbeitslosigkeit ist gerade für besonders junge Erwerbslose ohne Berufserfahrung oder ältere Erwerbsloe ab 50 Jahren die Regel. Durch die Maßnahmen der Agenda 2010 und Hartz IV ist die Spaltung der Erwerbslosen in noch "aussichtsreiche" Arbeitssuchende im ALG I und in "arbeitsmarktferne" Almosenempfänger/innen im sogenannten Fürsorgesystem ALG II letztendlich vertieft und zementiert worden.
Zynisch finde ich an mancher Stelle die Aussagen der sogenannten Experten, die - selbst natürlich nicht betroffen - über die Angemessenheit der Hartz IV-Leistungen urteilen. Selbstmorde unter Hartz IV-Bezieher/innen aus Verzweiflung, die Stromrechnung im Winter nicht mehr zahlen zu können oder keinen bezahlbaren Wohnraum mehr zu finden, sprechen da eine andere Sprache. Deswegen bleibt es für die LINKE dabei: Hartz IV muss weg und ist durch eine längere Bezugsdauer von ALG I sowie durch eine bedarfsdeckende und sanktionsfreie Mindestsicherung zu ersetzen.
Insbesondere finde ich es wichtig, nicht die/den einzelnen Erwerbslose/n für seine Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Arbeitslosigkeit ist ein strukturell-politisches Problem, kein individuelles Versagen. Insbesondere die von der Wirtschaft aus Gründen der Kostenersparnis gewollten Maßnahmen der Regierung zur Arbeitszeitverlängerung (Heraufsetzung des Renteneintrittsalters und Verlängerung der Wochenarbeitszeit z.B. bei Beamten) wirken allen Bemühungen, wieder mehr Menschen in die Erwerbsarbeit zu bringen, entgegen.
Effektiv könnte hier nur eine Verkürzung der gesellschaftlichen Arbeitszeit sein - deswegen macht sich die LINKE gemeinsam mit den Gewerkschaften stark für die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche.
Zum Thema Bildung: die LINKE kämpft für eine chancengleiche Bildung von Anfang an. In allen Bundesländern (besonders in Bayern) dominieren allerdings Schulformen, die Kinder und Jugendliche insbesondere aus einkommenschwachen Schichten frühzeitig abhängen und selektieren, die somit soziale Unterschiede nicht ausgleichen, sondern zementieren. Wir stehen deswegen für die Abschaffung des vielgliedrigen Schulsystems und stattdessen für den Ausbau von Gemeinschaftsschulen (bis zur 10. Klasse). In einem ersten Schritt müssen alle Formen von Kita- und Studiengebühren abgeschafft werden.
Ich hoffe, Ihre Fragen hiermit beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen,
Nicole Gohlke