Was würden Sie für die Gleichberechtigung der Frauen gesellschaftlich ändern?
Sehr geehrte Frau N.,
herzlichen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Die Diskrepanz zwischen formaler Gleichheit und reeller Verwirklichung dieses Anspruchs ist auch uns Freien Demokraten bewusst. Darum haben wir verschiedene Maßnahmen beschlossen und auch auf parlamentarischer Ebene eingefordert. Der grundlegende Gedanke hierbei ist es, gesellschaftliche Anreize so zu setzen, dass jedes Individuum in echter Selbstbestimmung den eigenen Weg verwirklichen kann – in diesem Fall bedeutet dies insbesondere, Vorstellungen und Regelungen zu überwinden, die die eigene Entscheidung hinsichtlich beruflicher Tätigkeit und privater Lebensgestaltung einengen. Um dies zu erreichen, muss und soll es für Frauen ebenso selbstverständlich sein, mehr Verantwortung im Beruf übernehmen zu können, wie es auch Männern möglich sein muss und soll, Verantwortung in der Familie zu tragen. Dieses Ideal ist bei uns Liberalen bereits seit 1972 festgeschrieben.
Die Ausgangsbasis hierfür wird mit der Bildung gelegt. Dies betrifft nicht allein die Wissensvermittlung selbst, sondern ebenso die dabei vorgefundenen Rahmenbedingungen: Die Vorbilder, welche Mädchen und Jungen bis zum Schulabschluss kennenlernen, beeinflussen entscheidend ihren eigenen Entscheidungshorizont. In dieser Phase ist es wichtig, sowohl männliche Vorbilder in Lehr-, Erziehungs- und Sozialberufen als auch weibliche Vorbilder in verantwortlicher wirtschaftlicher Position oder wissenschaftlicher Karriere zu erhalten. Gerade die Möglichkeiten der Selbstständigkeit sind hier unterrepräsentiert, nicht nur im Lehrstoff, sondern auch in der Praxis weiblicher Gründungen. Hier liegt ein großes Potential brach, dessen Hebung auch durch entsprechende Mentorinnen, etwa weibliche Business Angels, flankiert werden sollte. Ebenso können wirtschaftspolitische Maßnahmen unterstützend wirken: Die Praxis zeigt, dass jene Frauen, die ein eigenes Unternehmen gründen, dies öfter in einem kleinen Rahmen tun – gerade für kleine Gründungen aber benötigen wir mehr Freiraum in der Startphase durch Entlastung von Bürokratie, unabhängige Beratungsstellen und Erleichterungen bei Kammern und Krankenkassen sowie die Einführung einer Basisrente, welche einzig an die Arbeitsjahre gekoppelt ist. Darüber hinaus wollen wir den Gründungszuschuss an ein tragfähiges Existenzgründungskonzept statt an eine vorhanden Arbeitslosigkeit knüpfen und einen öffentlich-privaten Wagniskapitalfonds einrichten, da auch hier Gründungen von Frauen deutlich in der Minderzahl liegen.
Auch im Verlauf eines Arbeitslebens bestehen heute noch erhebliche Karrierehemmnisse, welche nicht selten darauf beruhen, dass in der Praxis meist Frauen die wesentlichen Trägerinnen der Sorgearbeit wie Erziehung und Pflege im familiären Umfeld sind. Darum ist es neben der Öffnung althergebrachter Rollenbilder auch unerlässlich, jene, die sich diesen Tätigkeiten widmen, den Anschluss im beruflichen Umfeld wahren zu lassen. Dies beginnt bei der Flexibilisierung von Arbeits- und Weiterbildungszeiten, welche im Zuge der Digitalisierung heutzutage vergleichsweise unproblematisch umsetzbar ist, wobei dies ebenso feste Nichtverfügbarkeitszeiten einschließt, die das Berufliche und das Private klar trennen. Gerade der Aspekt der Weiterbildung muss auch bei Aus- oder Teilzeiten eine neue Selbstverständlichkeit gewinnen, damit ein möglichst reibungsloser Wiedereinstieg in ein stärkeres berufliches Engagement und der gewünschte Karrierepfad gelingen. Vom öffentlichen Dienst erwarten wir in dieser Hinsicht beispielhaftes Vorangehen. Doch auch bei Präsenzarbeit soll die Vereinbarkeit mit Kinderbetreuung gewährleistet sein. Darum setzen wir uns für KfW-Programme zur Förderung betrieblicher Betreuungsangebote und zur Einrichtung von Eltern-Kind-Zimmern in Unternehmen ein.
Hinzu kommt die Beseitigung steuerlicher Nachteile, wie sie die immer noch existierende Aufteilung in die Steuerklassen III und V zementiert. Durch die Veranlagung von Paaren in der Steuerklasse IV ist dagegen der Anreiz zur Wiederaufnahme stärkerer Erwerbstätigkeit weniger gehemmt. Zugleich sollen Rentenansprüche durch eine Erleichterung des Rentensplittings besser zwischen Partnern aufgeteilt werden können, so dass die Entscheidung zur befristeten Konzentration auf familiäre Verpflichtungen nicht weiter zu Altersarmut führt.
Dies sind freilich nur einige, doch fraglos elementare Aspekte, die einer so fundamentalen Frage zu Grunde liegen. Insofern hoffe ich, Ihnen mit diesem Einblick in die liberalen Positionen zur Gesellschaftspolitik weiterhelfen zu können.