Frage an Nico Tippelt von Klaus W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Tippelt,
angeblich gibt es im Freistaat klare Regelungen zur Verschuldung öffentlicher Haushalte.Gemeinden mit instabiler Haushaltslage werden zur Haushaltskonsolidierung aufgefordert,bei keiner Senkung der Verschuldung wird Zwangsverwaltung angeordnet. Ein Kriterium bei der Bewertung ist die Pro-Kopf-Verschuldung. Die Stadt Reichenbach/Ol hat eine Pro-Kopf-Verschuldung von 4.069€. Trotz dieser Situation hat man noch hochspekulative Zinswetten in Höhe von 20,4 Millionen Euro abgeschlossen(LVZ-Artikel v. 10.08.2011). Warum wird aus ihrer Sicht nichts von der Landesregierung in der Sache unternommen? Wird der zuständige Kommunalamtsleiter seiner Verantwortung als Rechtsaufsicht gerecht? Spielt etwa die bevorstehende Landtagswahl eine Rolle,da der Bürgermeister das richtige Parteibuch hat? Werden Sie in ihrer Funktion als Mitglied des Haushalts-und Finanzausschuss aktiv?
Sehr geehrter Herr Wesley,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Gern möchte ich zu dem geschilderten Fall Stellung nehmen.
Zunächst einmal: Die sächsischen Kommunen gehörten im bundesweiten Vergleich in den vergangenen Jahren zu denen mit den niedrigsten Schulden. Darauf können wir stolz sein. Nicht nur der Freistaat Sachsen, sondern auch seine Kommunen sind damit vorbildlich. Dass die sächsischen Kommunen vergleichsweise gut dastehen, ist auch auf die Aufsichtsbehörden des Freistaates zurückzuführen, die auf die Einhaltung haushaltswirtschaftlicher Vorgaben schaut.
Seit 01.01.2014 gilt im Freistaat Sachsen das Neuverschuldungsverbot: Damit ging ein Herzenswunsch der FDP in Erfüllung. Aber in diesem Rahmen ist es nicht möglich, Einfluss auf einzelne Kommunen - wie der Stadt Reichenbach/OL - bei der Aufstellung und dem Vollzug ihrer Haushalte zu nehmen.
Grundsätzlich gilt: Wenn kommunale Haushalte nicht ausgeglichen sind, dann müssen diese durch die Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Die entsprechend notwendigen gesetzlichen Vorgaben sind in erster Linie in der sächsischen Gemeindeordnung verankert. Dort (§ 72 Abs. 2 Satz 2 SächsGemO) ist auch geregelt, dass spekulative Finanzgeschäfte verboten sind.
Wenn spekulative Finanzgeschäfte stattfinden, ist dies selbstverständlich durch die Rechtsaufsicht zu beanstanden.
In dem von Ihnen geschilderten Fall der Stadt Reichenbach/OL bin ich mir sicher, dass die Rechtsaufsicht aktiv ist und die hochspekulativen Zinswetten durch die Rechtsaufsicht geahndet werden. Laut § 112 SächsGemO ist Rechtsaufsichtsbehörde für kreisangehörige Gemeinden das Landratsamt, für Kreisfreie Städte die Landesdirektion Sachsen. Obere Rechtsaufsichtsbehörde ist für alle Gemeinden die Landesdirektion Sachsen. Oberste Rechtsaufsichtsbehörde ist das Staatsministerium des Innern. => Im Falle der Stadt Reichenbach/OL obliegt die Rechtsaufsicht dem Landratsamt Görlitz.
Als sächsischer Landtagsabgeordneter bin ich gewählt, um die Staatsregierung zu kontrollieren. In dieser Funktion kann ich auch auf die Staatsregierung hinwirken, als Rechtsaufsichtsbehörde aktiv zu werden. Allerdings fehlen mir die Möglichkeiten, auch wenn ich spekulative Finanzgeschäfte der Kommunen verurteile, gegenüber der Kommune aktiv zu werden. Dahingehend sind die Gemeinderäte vor Ort die richtigen Ansprechpartner, dass diejenigen, die für die spekulativen Finanzgeschäfte verantwortlich sind, politisch zur Verantwortung gezogen werden. Allerdings kann ich dies als gewählter Abgeordneter des Sächsischen Landtags und als Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses nicht gewährleisten. Dafür haben wir auch eine kommunale Selbstverwaltung.
Sicherlich ist die Antwort für Sie nicht ausreichend befriedigend. Ich kann Ihren Ärger verstehen und hoffe, dass die Gemeinderäte vor Ort Ihnen weiterhelfen können. Aktuell ist die FDP im Stadtrat von Reichenbach/OL nicht vertreten, so dass ich Ihnen auch keinen direkten Ansprechpartner nennen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Nico Tippelt MdL