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Nezahat Baradari
SPD
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Frage von Chris B. •

Wägen Sie bei Ihrer Haltung zum CanG alle relevanten Aspekte ab?

Hallo Frau Baradari,
Sie begründen Ihre Ablehnung des CanG mit Ihrer Tätigkeit als Kinderärztin. Es ist verständlich, dass Sie aufgrund Ihres beruflichen Hintergundes vorallem den Jugendschutz im Auge haben. Gleichzeitig sind Sie als Abgeordnete allen Bürgern gleichermaßen verpflichtet.

Der absolute Großteil der Cannabis-Konsumenten in Deutschland ist volljährig: ~4,5 Millionen Erwachsene und ~350.000 Minderjährige konsumieren regelmäßig, damit sind ~93% der Konsumenten erwachsen (bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/c/cannabis)

Meine Frage ist, ob und in welcher Form Sie die Vor- und Nachteile einer Entkriminalisierung von Cannabis in der Gesamtheit beurteilen - sehen Sie bspw. trotz Ihrer Bedenken was den Jugendschutz angeht einen Vorteile darin, den 93% Erwachsenen Konsumenten den Zugang zu sauberem Cannabis durch den Eigenanbau zu ermöglichen? Haben erwachsene Konsumenten Ihrer Ansicht nach generell einen Anspruch auf Gesundheitsschutz beim Konsum von Drogen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr B.

wir müssen hier zwei Dinge berücksichtigen. Auf der einen Seite den nachvollziehbaren Ruf nach Entkriminalisierung von Cannabis, da Konsumenten erst recht in die Kriminalität abrutschen und eine kriminelle „Karriere“ machen könnten.

Auf der anderen Seite steht die vollständige Legalisierung, die ich im vorliegenden Gesetzentwurf im Hinblick auf den Gesundheits- und Jugendschutz für unverantwortlich halte.

Ich möchte nun auf Ihre Fragen näher eingehen:

Zu den Volljährigen gehört auch die besonders gefährdete Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen. Bei jungen Erwachsenen kann der Cannabiskonsum die Entwicklung des Gehirns nachhaltig schädigen:

https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/2781289

Ihre Argumentation, dass 93% der Konsumenten volljährig sind, greift daher zu kurz.

Darüber hinaus enthält das Gesetz eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, deren Umsetzung ich für problematisch halte. Das Konsumverbot auf öffentlichen Plätzen zwischen 7 und 20 Uhr sowie die Abstandsregelung von nur 100 Metern zu Kindergärten, Schulen und Jugendeinrichtungen - ursprünglich waren 200 Meter vorgesehen - sind schlicht realitätsfern.

Die Grenzwerte im Straßenverkehr sind bisher völlig ungeklärt. Bereits jetzt sind beispielsweise in Baden-Württemberg rund 70 Prozent der Drogenfahrten auf Cannabis zurückzuführen und stellen damit eine Gefährdung der inneren Sicherheit dar.

Die Menge des Eigenanbaus in Privatwohnungen ist überhaupt nicht kontrollierbar. Mit der ursprünglich angestrebten kontrollierten Abgabe durch lizenzierte Fachgeschäfte hat das nichts mehr zu tun. Die Innenminister der Länder haben zu Recht darauf hingewiesen, dass dies keinesfalls die angestrebte Entlastung der Strafverfolgungsbehörden darstellt, sondern eher eine Mehrbelastung. Der Besitz von 25 Gramm Cannabis, was etwa 75 Joints entspricht, soll nicht mehr strafbar sein - pro Monat sind sogar 50 Gramm erlaubt.

Statt den Konsum einzuschränken, hat die Überarbeitung des ersten Gesetzentwurfs nach der Verbändeanhörung die Legalisierung von Cannabis bzw. den Zugang zu und den Kontakt mit der Droge Cannabis sogar deutlich erleichtert, ohne dass dies durch verstärkte Präventionsbemühungen oder eine Erleichterung der Polizeiarbeit ausreichend kompensiert worden wäre. Auch die jetzt im Haushalt beschlossenen 10 Millionen Euro für Präventionsarbeit bzw. Drogenprävention für Kinder und Jugendliche sind ein schlechter Witz angesichts der geplanten Cannabislegalisierung. Das entspricht nicht einmal einem Euro Präventionsausgaben pro Kind.

Bei Gesetzgebungsverfahren sollte versucht werden, einen breiten Kompromiss zu finden und die Mehrheit der Bevölkerung mitzunehmen. Da Kinder aber keine Lobby haben, sind sie leider auch in diesem Fall nicht nur dem Nikotin-, sondern auch dem Cannabisrauch schutzlos ausgeliefert.

Niemand kann vorhersagen, ob Cannabiskonsum bei einem Menschen eine Psychose auslösen kann oder nicht, da dies individuell verschieden ist. Den Schutz der Bevölkerung und insbesondere der Kinder als schwächstes Glied der Gesellschaft sehe ich durch die Legalisierung in keiner Weise gewährleistet.

Mit freundlichen Grüßen

Nezahat Baradari, MdB

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