Welche Impulse schlagen Sie vor, die Beteiligung der Wählerschaft und die Handlungsfähigkeit bzw. -Willigkeit der Politik nachhaltig zu fördern und zu stärken?
Welche progressiven, diskussionswürdigen, gesellschaftspolitischen Impulse schlagen Sie vor oder halten Sie für geeignet, die Beteiligung der Wählerschaft und (bzw. daraus resultierend) die Handlungsfähigkeit bzw. -Willigkeit der Politik nachhaltig zu fördern und zu stärken
(z. B.
- Stimmrechte für jedes Elternteil für jedes ihrer minderjährigen Kinder,
- abnehmende Wahlstimmengewichtung für Senioren,
- Wahlpflicht,
- Wahlberechtigungsprüfungen hinsichtlich ausreichender Gesellschaftssachkunde,
- Volksentscheide,
- klarere Differenzierung zwischen Themen der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik und Ahndung derer Mißbrauch in Wahlkämpfen,
- gleichlange Legislaturperioden in Bund und Ländern mit gleichzeitigen Landeswahlterminen in allen Ländern,
- Harmonisierung/Zentralisierung der Außen-, Verteidigungs- und Fiskalpolitik in Europa,
- oder, oder, oder)
und warum?

Sehr geehrter Herr H.
vielen Dank für Ihre Frage!
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Bürger:innen bei politischen Entscheidungen mitgenommen werden müssen. Das politische Handeln muss verständlich gemacht werden. Leider gelingt dies nicht immer vollständig, was auch daran liegt, dass politischen Entscheidungen sehr komplexe Abwägungsprozesse zugrunde liegen, die sich oft nicht in zwei Sätzen zusammenfassen lassen. Nichts desto trotz sind wir als politische Akteure gefragt, auch komplizierte Sachverhalte so verständlich wie möglich gegenüber den Bürger:innen zu vermitteln.
Für eine breitere Beteiligung der Bürger:innen sehen wir als SPD in Bürgerräten eine Möglichkeit zur Ergänzung unserer parlamentarischen repräsentativen Demokratie. Bürgerräte per Losverfahren bieten in meinen Augen die Möglichkeit, Politikverdrossenheit und Vorbehalte gegen demokratische Entscheidungsfindung entgegenzuwirken, in dem einzelne Bürger gezielt die Möglichkeit erhalten sich einzubringen und ihre Perspektive einfließen zu lassen. Die Beschlüsse der Bürgerräte sollen bei schwierigen Themen dem Parlament bei der Entscheidungsfindung helfen und die Expertise der Bürgerinnen und Bürger eibringen. Wichtig ist mir dabei jedoch, dass die letztliche Entscheidung beim Deutschen Bundestag als gewählter Volksvertretung bleibt.
In Hinblick auf die politische Handlungsfähigkeit sehe ich eine große Gefahr darin, dass der bisherige Konsens nur unter demokratischen Kräften zusammenzuarbeiten aufgekündigt wird. Wir haben zuletzt gesehen, dass die Union und die FDP auch Stimmen der AfD für ihre Vorhaben offen in Kauf nehmen, um Mehrheiten zu bilden. Das ist für mich ein Tabubruch und ein Skandal. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unter den Demokrat:innen im Parlament politische Lösungen finden müssen. Wir müssen untereinander kompromissbereit bleiben, aber klare Kante gegen den Rechtsextremismus zeigen. So bleiben wir handlungsfähig.
Wir werden die Bundestagswahl am 23. Februar abwarten müssen, um zu wissen, mit welchen Mehrheitsverhältnisse wir es in der kommenden Legislatur zu tun haben werden. Für mich ist dabei klar, dass wir uns als SPD der Verantwortung für unser Land bewusst sind und bereit sind, weiterhin als Kanzlerpartei Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wir streben eine stabile Koalition mit den demokratischen Parteien der Mitte an und schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD im Deutschen Bundestag nach wie vor strikt aus.
Mit freundlichen Grüßen
Nadja Sthamer