Frage an Nadine Schön von Matthias S.
Nadine ich bin wirklich schwer enttäuscht von dir.
Du bist, wie ich, Kind der Generation Y und wir gehören zu einer digital sehr gut aufgeklärten Generation. Du weißt wie es aktuell um den Datenschutz in der Welt bestimmt ist. Und ich rede nicht nur von der NSA sondern auch von Google und Facebook. Du kennst die Studien, die belegen, dass die VDS eben nicht dabei hilft Verbrechen aufzuklären. Und somit weißt du auch, dass wir es hier mit einem Überwachungswerkzeug zu tun haben, dass wegen der anlasslosen Totalüberwachung aller Bürger gegen die Rechtsstaatlichkeit verstößt. Bitte erkläre mir, wieso du so etwas unterstützen kannst? Und wiederhole bitte in deiner Erklärung nicht die Phrasen von Heiko, der ja bis zu seinem Umfallen ebenfalls ein erklärter Gegner der VDS war.
Sehr geehrter Herr Schlich, hallo Matthias,
vielen Dank für Ihre Mail zum Thema Vorratsdatenspeicherung.
Ihre Befürchtungen teile ich nicht und plädiere dafür, dass die Debatte generell sachlich statt emotional geführt wird. Tatsache ist, dass nach bisheriger Rechtslage Telekommunikationsanbieter die Verbindungsdaten bereits speichern durften, solange wie dies aus Abrechnungsgründen notwendig war. Die gesetzliche Grundlage für die Speicherung zu Zwecken der Abrechnung findet sich in §§ 96, 97 TKG. Demnach durften die Daten nach bisheriger Rechtslage bis zu sechs Monate nach Versendung der Rechnung gespeichert werden. Für die Abrechnung nicht erforderliche Daten waren unverzüglich zu löschen. Es hing quasi vom Zufall ab, ob die Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsunternehmen noch vorhanden waren oder schon gelöscht wurden.
Da jedoch weder das Bundesverfassungsgericht 2010, noch der Europäische Gerichtshof 2014 die Vorratsdatenspeicherung von vornherein als unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz angesehen und per se verboten, sondern lediglich die konkreten gesetzlichen Ausgestaltungen für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig erklärt haben, war es geboten, eine verbindliche nationale Regelung zu beschließen, die den europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Diese gesetzliche Regelung zur Speicherung und Auswertung von Verbindungsdaten in engen Grenzen soll jetzt eine verlässliche Grundlage zur Verbesserung der Aufklärung von Straftaten schaffen. In erster Linie ist die Vorratsdatenspeicherung in der Tat ein unabdingbares Instrument für die bessere Ermittlung nach einer schweren Straftat und einer wirksamen Strafverfolgung. Dazu zählen zum Beispiel terroristische Anschläge, Kinderpornografie oder Bandendelikte. Die Auswertung der Kommunikationsverbindungsdaten kann nach meiner Überzeugung die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, zum Beispiel die Hintermänner, Gehilfen und ganze kriminelle Netzwerke zu ermitteln. Gelingen solche Ermittlungen, können natürlich auch weitere Straftaten verhindert werden. Entscheidend ist, dass der Zugriff der staatlichen Behörden nur unter engen Voraussetzungen geschehen darf.
Die Vorratsdatenspeicherung umfasst in keinem Fall die Speicherung von Inhalten; niemand lauscht, liest mit oder hält den Inhalt von Mails oder Telefonaten fest. Es geht bei der Vorratsdatenspeicherung um die vorläufige Sicherung von Verbindungsdaten einschließlich Funkzellenangaben. Letztere sollen nach den vereinbarten Leitlinien nur zu Beginn einer Kommunikation, nicht etwa fortlaufend gesichert werden. Außerdem sollen nach den Leitlinien IP-Adressen zum Datenkranz gehören, die allerdings nur punktuell abgefragt werden sollen, etwa wenn aufgrund von Vorermittlungen bekannt ist, dass sie zum verbotenen Abruf von Daten (z.B. kinderpornografischer Inhalte) genutzt worden sind. Es ist vorgesehen, dass die Verbindungsdaten von E-Mails vollständig ausgenommen werden. Die Speicherfrist beträgt 10 Wochen, Funkzellenangaben werden bereits nach 4 Wochen gelöscht. Die Daten werden nicht etwa bei einer staatlichen Stelle zusammengeführt, sondern verbleiben ohne jegliche besondere Aufbereitung und dezentral bei den Providern, bei denen sie entstehen.
Die Übermittlung und Verwendung der Daten durch staatliche Behörden setzt den Verdacht einer schweren Straftat wie etwa Mord, Totschlag, Kinderpornografie, besonders schwere Fälle des Landfriedensbruchs oder terroristische Taten voraus. Ohne einen solchen Anlass - d.h. in aller Regel - werden die Daten nach der festgesetzten Frist ohne weitere Nutzung schlicht bei den Providern gelöscht; keine staatliche Stelle bekommt sie dann jemals zu sehen. Eine Übermittlung von Verbindungsdaten an staatliche Behörden setzt im Einzelfall eine richterliche Entscheidung voraus.
Nach meiner festen Überzeugung ist der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung größer als die von ihr ausgehenden Gefahren. Dies umso mehr, wenn die Nutzung der gespeicherten Verbindungsdaten in eine sprachlich unmissverständliche gesetzliche Regelung unter Beachtung der Maßgabe des EuGH und des BVerfG einfließt. Genau das haben wir jetzt umgesetzt: nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Ich hoffe, Ihnen meine Sichtweise nachvollziehbar dargelegt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Nadine Schön