Nadine Schön
Nadine Schön
CDU
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Frage von Betim S. •

Frage an Nadine Schön von Betim S. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Schön,

wie stehen Sie zum Thema Vorratsdatenspeicherung? Das BVerfG erklärte die Vorratsdastenspeicherung doch schon 2010 als verfassungswidrig, wieso wird das Thema denn nun wieder aufgegriffen?

Mit freundlich Grüßen,

Ihr zukünftig möglicher Wähler

Nadine Schön
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Stubbla,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Vorratsdatenspeicherung.

Weder das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 2010, noch der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2014 haben die Vorratsdatenspeicherung von vornherein unvereinbar mit Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz (GG) angesehen und per se verboten. Es wurden lediglich die konkreten gesetzlichen Ausgestaltungen für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig erklärt. Diese müssten den europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltenden Regelungen (§§ 113a, 113b Telekommunikationsgesetz (TKG)) zur Vorratsdatenspeicherung also für nichtig erklärt hatte, gab es demzufolge kein neues Bundesgesetz.
Nach gegenwärtiger Rechtslage dürfen Telekommunikationsanbieter die Verbindungsdaten nur solange speichern, wie dies aus Abrechnungsgründen notwendig ist. Die gesetzliche Grundlage für die Speicherung zu Zwecken der Abrechnung findet sich in §§ 96, 97 TKG. Danach dürfen die Daten nach jetziger Rechtslage bis zu sechs Monate nach Versendung der Rechnung gespeichert werden. Für die Abrechnung nicht erforderliche Daten sind unverzüglich zu löschen. Hat der Teilnehmer gegen die Höhe der in Rechnung gestellten Verbindungsentgelte vor Ablauf der Frist Einwendungen erhoben, dürfen die Daten gespeichert werden, bis die Einwendungen abschließend geklärt sind.
Die Ermittlungsbehörden können auf der Basis des § 100g Strafprozessordnung (StPO) die Verkehrsdaten, die aktuell (zum Zwecke der Abrechnung) im Bestand eines Telekommunikationsanbieters über die betroffene Person vorhanden sind, auswerten, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Die Anordnung der Erteilung einer Auskunft ist an strenge rechtsstaatliche Voraussetzungen (u. a. konkreter begründeter Verdacht, keine anderweitige Möglichkeit der Aufklärung, Richtervorbehalt) geknüpft.

Das Problem besteht darin, dass es quasi vom Zufall abhängt, ob die Verbindungsdaten bei den Telekommunikationsunternehmen noch vorhanden sind oder schon gelöscht wurden. Nach statistischen Erhebungen des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2010 zu über 1.000 Auskunftsersuchen bei Kommunikationsanbietern, waren die Daten in 80 Prozent der Fälle nicht verfügbar. Das führte dazu, dass bezogen auf diese 1.000 Fälle Straftaten in rund 56 Prozent der Fälle gar nicht, in 18 Prozent der Fälle nur unvollständig und in 25 Prozent der Fälle stark verspätet aufgeklärt werden konnten. Auch wenn neuere statistische Auswertungen nicht vorliegen, hat sich an der Situation seitdem nichts geändert. Die Vorratsdatenspeicherung würde die Aufklärung also erheblich erleichtern, in vielen Fällen überhaupt erst möglich machen.

Eine gesetzliche Regelung zur Speicherung und Auswertung von Verbindungsdaten in engen Grenzen soll jetzt eine verlässliche Grundlage zur Verbesserung der Aufklärung von Straftaten schaffen. Daher haben wir uns darauf verständigt, ein neues und nationales Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zeitnah verabschieden zu wollen und die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umzusetzen. Insbesondere die Ereignisse im Zusammenhang mit der Ermordung von Mitarbeitern der Zeitschrift „Charlie Hebdo“, von zwei Polizeibeamten und von Kunden in einem jüdischen Supermarkt im Januar 2015 in Frankreich haben uns vor Augen geführt, welches wirksame Mittel zur Aufklärung von Tatzusammenhängen und Terror-Netzwerken den Strafverfolgern mit der Auswertung von gespeicherten Verbindungsdaten zur Verfügung steht. In erster Linie ist die Vorratsdatenspeicherung nicht allein eine Frage der Prävention, sondern sie ist ein Instrument für die bessere Ermittlung nach einer schweren Straftat (repressiv) und einer wirksamen Strafverfolgung. Dazu zählen zum Beispiel terroristische Anschläge, Mord, Kinderpornografie oder Bandendelikte. Die Auswertung der Kommunikationsverbindungsdaten kann nach meiner Überzeugung die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, zum Beispiel die Hintermänner, Gehilfen und ganze kriminelle Netzwerke zu ermitteln. Gelingen solche Ermittlungen, können natürlich auch weitere Straftaten verhindert werden.

Um also auch bei Straftaten ermitteln zu können, die nicht sofort bemerkt oder angezeigt werden, muss eine hinreichende Mindestspeicherfrist gewahrt werden. Das Positionspapier des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz sieht eine Frist von 10 Wochen, bei standortbasierten Daten von nur 4 Wochen vor. E-Mail-Daten werden von der Speicherpflicht ganz ausgenommen. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung muss sicherstellen, dass die Telefon- und Internetanbieter darin verpflichtet werden, ihre Daten nach höchsten Standards zu verschlüsseln und zu schützen. Neben den bestehenden Gesetzen zur Gewährleistung der Datensicherheit soll künftig die Datenhehlerei, also der Handel mit gestohlenen Daten, als Straftat gefasst werden. Nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfrist müssen die Verbindungsdaten unwiederbringlich gelöscht werden. Das müssen die jeweiligen Anbieter über technische Lösungen sicherstellen. Die Nichteinhaltung der Löschverpflichtung durch den Telekommunikationsanbieter führt zu einem Ordnungsgeld.

Nach meiner Überzeugung ist die Vorratsdatenspeicherung ein Ermittlungsinstrument, das für die wirksame Aufklärung insbesondere schwerer Straftaten unabdingbar ist. Erfahrungsgemäß ist der Nutzen der Vorratsdatenspeicherung größer als die von ihr ausgehenden Gefahren. Dies umso mehr, wenn die Nutzung der gespeicherten Verbindungsdaten in eine sprachlich unmissverständliche gesetzliche Regelung unter Beachtung der Maßgaben des EuGH und des BVerfG einfließen wird. Genau das wollen und werden wir jetzt umsetzen: nicht mehr, aber auch nicht weniger!

Ich hoffe, Ihre Frage damit beantwortet und Ihnen meine Sichtweise dargelegt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Nadine Schön MdB

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