Frage an Muhterem Aras von Stefanie L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Aras,
inwieweit halten Sie die weiterhin aufrecht erhaltenen Maßnahmen zum Schutz vor Corona angesichts der aktuellen Infektionszahlen und der aktuellen Sterberate vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung nicht getroffenen Risikoabschätzung der Folgen d u r c h die Coronaschutzmaßnahmen für gerechtfertigt?
Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass in Bezug auf die Coronaschutzmaßnahmen von der Bundesregierung keinerlei naturheilkundliche immunabwehrstärkende Empfehlungen gegeben worden sind?
Halten Sie die einseitige Orientierung hin zu rein schulmedizinischen Maßnahmen wie Impfungen für sinnvoll?
Mit freundlichen Grüßen,
Stefanie Lode
Sehr geehrte Frau L.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage. Die Corona-Krise hält die Welt seit Monaten in Atem; doch haben wir auch erlebt, dass die kurzfristig erlassenen, sehr weitgehenden Krisenbekämpfungsmaßnahmen und das umsichtige Vorgehen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erfolgreich waren: Das exponentielle Wachstum der Fallzahlen und damit eine Überlastung unseres Gesundheitssystems konnten vorerst verhindert werden. Das war ein großer gesamtgesellschaftlicher Kraftakt – und hat letztlich Menschenleben gerettet.
Allerdings mussten wir alle akzeptieren, dass dafür in noch nie dagewesener Tiefe in unser aller Grundrechte eingegriffen wurde – selbstverständlich allerdings nur temporär und immer nur so viel und so lange, wie es angemessen und notwendig war bzw. ist. Grundrechte gewähren aber nicht nur Freiheitsrechte, sondern sie geben den Bürgerinnen und Bürgern auch einen Schutzanspruch: Aus dem Recht zu Leben und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit in Art. 2 II des Grundgesetzes folgt die Pflicht des Staates tätig zu werden, wenn diese Rechte bedroht sind. Das Bundesinfektionsschutzgesetz sieht für die Situation einer Pandemie – also eine Situation, in der plötzlich das Risiko einer raschen Ausbreitung einer Seuche besteht – vor, dass die Landesregierungen unverzüglich per Verordnung befristet Grundrechte einschränken können. Anders als bei anderen Vorhaben der Politik, fehlt dabei Zeit zur Vorbereitung, Planung, umfassenden Faktengewinnung und Debatte. Pandemien kommen rasch und drohen schnell unkontrollierbar zu werden. Die Exekutive kann und darf in einer solchen Situation nicht einfach das Geschehen seinen Lauf nehmen lassen und erst einmal abwarten, denn Zeit ist bei der Eindämmung eines Virus – insbesondere wenn es weder eine Grundimmunisierung in der Bevölkerung, eine Impfung noch eine medikamentöse Behandlung gibt – der kritische Faktor.
Solche Maßnahmen der Gefahrenabwehr erfolgen daher immer auf Basis von Prognosen, die sich im Anschluss als richtig oder falsch herausstellen können. Als in Deutschland die ersten positiven Corona-Infektionen bekannt wurden, war die Lage in Italien längst außer Kontrolle: Ein exponentielles Wachstum machte es den Behörden dort unmöglich, Infektionsketten nachzuvollziehen und führte dazu, dass nicht mehr alle Erkrankten adäquat behandelt werden konnten. Angesichts dieser Faktenlage und in Verbindung mit Hochrechnungen zur Zahl schwerer Verläufe einerseits, und nur bis zu einer bestimmten Anzahl an vorhandenen Beatmungsgeräten und Intensivbetten andererseits, mussten Entscheidungsträger*innen sofort handeln. Es war klar: Nur, wenn wir den exponentiellen Anstieg verhindern, können wir gewährleisten, dass wir alle hilfsbedürftigen Kranken behandeln können. Das war – wie in vielen Gerichtsentscheidungen bestätigt – rechtmäßig. Aufgrund der schweren Bedrohungslage und der gebotenen Eile war ein Shut-Down angemessen und die Verordnungen genügten damit auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts. Dass in einzelne Fällen, Maßnahmen von den Gerichten gekippt wurden, sehe ich als Bestätigung dafür, dass unser System funktioniert: Wir leben in einem Rechtsstaat, niemand muss exekutive Maßnahmen widerspruchslos hinnehmen, sondern kann jederzeit die Gerichte anrufen.
Gleichzeitig erleben wir nun, dass das erfolgreiche Verhindern einer medizinischen Katastrophe dazu führt, dass rückblickend die Maßnahmen in Frage gestellt werden: Waren sie überhaupt nötigt, es ist ja nichts Schlimmes passiert? Wie beschrieben, müssen Entscheidungsträger*innen in einer solchen Lage, ihre Entscheidungen auf Prognosen stützen; sie können bei einem neuartigen Virus zu dem es bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, nicht erst die weitere Forschung abwarten, denn gesicherte Erkenntnisse stehen am Ende eines langen Prozesses: Ausgangpunkt sind stets Fragestellungen wie beispielsweise: „Was sind die häufigsten Übertragungswege?“. Im Anschluss daran werden Daten erhoben, verglichen, Hypothesen aufgestellt, Annahmen verifiziert, Kontrollversuche unternommen, Ergebnisse veröffentlicht. Es ist natürlich der Idealzustand, wenn Politik ihre Maßnahmen und Beschlüsse auf solche Weise gesicherte Erkenntnisse stützt. Es ist aber offenkundig: Diese Forschung kostet Zeit und Zeit ist bei Ausbruch einer Pandemie der kritische Faktor. Jedoch: So wie die Forschung nun voran schreitet, werden selbstverständlich Maßnahmen stets anhand dieser Erkenntnisse überprüft und wissenschaftliche Erkenntnisse so in politische Entscheidungen übersetzt.
Dabei müssen wir uns auf den eindeutigen Empfehlungen der herrschenden Meinung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und des hierfür gesetzlich zuständigen Robert-Koch-Instituts verlassen. Auch die Empfehlungen der Bundesregierungen sind ja in dieser Hinsicht keine politisch getroffenen, sondern basieren auf Erkenntnissen des RKI, des speziell eingesetzten Expertengremiums und der Fachexpertise in den Ministerien, weshalb der fachmedizinische Teil der Empfehlungen auch nicht in erster Linie politisch zu bewerten oder kritisieren ist, sondern in der wissenschaftlichen Community diskutiert wird (was ja auch geschieht). Aus dieser Sicht waren die Maßnahmen in den letzten Wochen und Monaten so wie sie erfolgten dringend erforderlich und ja, eindeutig gerechtfertigt.
Klar ist aber, dass je mehr Ruhe nun einkehrt und dass je mehr die Politik nun den Krisenmodus verlässt, Entscheidungen und Verfahren wieder umfassender begründet werden müssen. Das bedeutet auch, sich mit kritischen Anregungen auseinanderzusetzen, weshalb ich Ihnen auch noch einmal für Ihre Zuschrift danken möchte.
Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Muhterem Aras MdL