Frage an Muhterem Aras von Richard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Welt vom 30.04.20 :Ist die Zusammenarbeit mit der Ditib beim Islamunterricht am Ende?
Sehr geehrte Frau Aras,
Mehrere Bundesländer schränken die Kooperation stark ein – oder beenden sie. Doch auch die staatlich verantwortete Religionskunde steht in der Kritik.
Inzwischen ist klar: Die Erfahrungswerte waren nicht so gut. Weniger was den konkreten Unterricht betrifft als vielmehr die Zusammenarbeit mit der Ditib. Über die Jahre wuchs das Misstrauen im Kultusministerium an der Organisation, die direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet unterstellt ist. In mehreren Gutachten ließ das Bildungsressort seit 2016 ergründen, wie es um die Eigenständigkeit des Partners bestellt ist, der Einfluss nehmen konnte auf Lehrer und Lehrpläne. Am Dienstag schließlich kündigte der amtierende Kultusminister Alexander Lorz von der CDU die Zusammenarbeit mit der Ditib auf. Es sei nicht klar, ob die Ditib unabhängig genug vom türkischen Staat sei.
Er sei „heilfroh“, dass die Zusammenarbeit mit der Ditib beendet sei, sagt der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Hessen, Armin Schwarz. Die Zweifel an der Unabhängigkeit habe die Ditib bis zuletzt nicht ausräumen können. „Es besteht daher weiter die Annahme, dass der Verband unter der politischen Einflussnahme des türkischen Staates steht.“ Stattdessen brauche es nun einen staatlich organisierten Islamkundeunterricht. Der Unterricht werde „ausschließlich von staatlichen Lehrkräften und nach vom Land Hessen erarbeiteten Lehrplänen in deutscher Sprache erteilt“.
Ähnlich deutlich sind die Stimmen aus Nordrhein-Westfalen. „Die Ditib hat nicht darlegen können, dass sie sich von den staatlichen Strukturen in Ankara losgelöst hat“, sagt die integrationspolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen, Berivan Aymaz. „Unter diesen Umständen darf es keine Zusammenarbeit mit der Ditib geben.“ Statt eines Religionsunterrichts nur für Muslime plädiert sie für einen Unterricht, der für alle Konfessionen offen sei.
Zuletzt sorgte eine Äußerung von Ali Erbas, Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, für heftige Kritik, als er Homosexualität mit Krankheiten in Verbindung brachte. Eine Distanzierung der Ditib in Deutschland blieb aus.
Das Vorhaben, den Islam zu reformieren ist mehr als utopisch und an Naivität kaum noch zu stoppen.
Frage: Wie steht die Regierung und das Land BW zu DITIB und ihrem Einfluss ?
Bitte um Rückmeldung.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
R. R.
Sehr geehrter Herr Rath,
haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihre Frage. Zwar bin ich weder als Landtagspräsidentin, noch als Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg Teil der Landesregierung und kann daher auch nicht für sie sprechen, doch möchte ich Ihnen selbstverständlich gerne meine persönliche Haltung zur DİTİB erläutern und auf diesem Wege auch Ihre Frage beantworten.
Bereits im Jahre 2017 sprach ich in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung – das ich Ihnen auch gerne hier verlinke – sehr deutlich die Schwierigkeiten im Umgang mit DİTİB an. Ich sagte damals: „Ich bin für Dialog. Wir dürfen aber vor lauter Diplomatie nicht versäumen zu sagen, was geht und was nicht. Wenn DİTİB hier Menschen ausspioniert, muss man das abstellen. Es kann doch nicht sein, dass Menschen hier in der dritten Generation leben und Angst haben, ihre Meinung zu sagen. Ihnen müssen wir den Rücken stärken. Denunziation ist nicht hinnehmbar. Es liegt an der DİTİB, ob sie sich von Ankara emanzipieren kann. Die Imame kommen in der Regel aus der Türkei und sind Beamte des türkischen Staats. Dessen Präsident Erdogan sagt, die Gleichberechtigung von Mann und Frau verstoße gegen die Natur: Wie soll dann der Imam hier für Gleichberechtigung von Mann und Frau eintreten? Das beißt sich doch. Deshalb muss die deutsche Politik sagen: Schluss mit dem Import von Imamen, wir regeln das selbst. (…) Die DİTİB-Moscheen müssen garantieren, dass sie keine Imame aus der Türkei holen. Und sie müssen ihre Finanzen offenlegen, um zu zeigen, dass sie nicht von der Türkei bezahlt werden. Das wären schon zwei Kriterien, die belegen, dass sie sich von der türkischen Staatspolitik emanzipieren. Dazu erwarte ich ein klares Bekenntnis zur offenen Gesellschaft.“
Diese Meinung vertrete ich bis heute. Ich erwarte eine klare Abgrenzung der DİTİB vom türkischen Staat und ein klares Bekenntnis zu unseren demokratischen Werten und unserer offenen Gesellschaft. Bis dahin sollten Formen der staatlichen Kooperation mit DİTİB, besonders den Islamunterricht betreffend, ausgesetzt werden. Aus diesem Grund begrüße ich es, dass seit dem Schuljahr 2019/2020 das Kultusministerium Baden-Württemberg die Zusammenarbeit mit DİTİB an der Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts sunnitischer Prägung beendet hat. Weitere Informationen dazu finden Sie hier in einer Drucksache des Landtags von Baden-Württemberg.
Falls Sie noch weitere Rückfragen haben, können Sie sich selbstverständlich jederzeit an mein Büro wenden – am besten per Mai unter muhterem.aras@gruene.landtag-bw.de.
Mit freundlichen Grüße
Muhterem Aras MdL