Wie stellen Sie sich die Pflege der Zukunft vor und was tun Sie gegen den aktuellen Pflegekräftemangel?
Sehr geehrter Herr Stumpf,
haben Sie herzlichen Dank für diese wichtige Frage! Ich versuche, sie in der nötigen Ausführlichkeit zu beantworten, wenngleich nicht auf alle Aspekte ausreichend ausführlich eingegangen werden kann.
Wir Grüne sorgen für gute Pflege, egal, ob im ländlichen Raum oder in den Ballungsgebieten. Pflege muss als Wert an sich neu erkannt werden und verdient mehr gesellschaftliche Anerkennung. Attraktive Arbeitsumstände und faire Bezahlung einerseits und bessere Rahmenbedingungen und Sicherheit für Pflegende, die sich um Angehörige selbst kümmern, sind die Schlüsselinstrumente für die Pflege der Zukunft.
Zentral für gute Pflege ist Zeit für die Patient:innen. Dafür braucht es ausreichend Personal. Deswegen setzen wir uns für gute Arbeits- und Lohnbedingungen, selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten, digitale Anwendungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten, aber auch eine fundierte Aus- und Weiterbildung ein. Die Digitalisierung kann dabei helfen, die Pflegekräfte mit organisatorischen Aufgaben zu entlasten und die Selbständigkeit und Qualität für zu Pflegende erhöhen.
Wir schlagen zur Finanzierung einen Beitrag vor, den alle nach ihren Möglichkeiten zahlen. Mit der Pflege-Bürgerversicherung und der doppelten Pflegegarantie werden wir dafür die Grundlagen schaffen.
Die meisten Menschen werden von ihren Angehörigen gepflegt. Damit sie dieses wichtige Engagement weiterhin gut leisten können, wollen wir sie über finanzielle und praktische Unterstützungsleistungen stärken und eine bessere Vereinbarkeit mit dem Beruf ermöglichen. Ambulante Pflege muss ins Lebensumfeld der Menschen eingebunden werden. Im Sinne von Vorsorge als Leitprinzip kommt Gesundheitsförderung und Prävention dabei eine besondere Bedeutung zu, um Menschen im Alter Teilhabe zu ermöglichen.
Ich zitere nachfolgend die folgenden konkreten Forderungen (www.gruene.de/themen/pflege):
- "Fachkräftesicherung: Wir wollen durch eine wissenschaftliche Personalbemessung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften, den Abbau unnötiger Bürokratie und die Ermöglichung neuer Arbeitszeitmodelle, etwa der 35-Stunden-Woche mit Lohnausgleich, Arbeitsbedingungen schaffen, unter denen viele Menschen – ganz neu, weiter oder wieder – gerne in der Pflege arbeiten. Die Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich wollen wir beschränken, um Überlastung vorzubeugen und den Personalverlust im medizinischen und pflegerischen Bereich einzudämmen. Wertschätzung braucht auch Löhne, die sie bezeugen – am besten über gute Tarifverträge. Wir wollen die gesetzliche Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif bezahlen.
- Die Angehörigenpflege ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft und der Sorgekultur. Mit der PflegeZeit Plus wollen wir Menschen, die andere versorgen, vor finanziellen Notlagen schützen und sie bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf unterstützen. Wir ermöglichen damit allen Erwerbstätigen eine Lohnersatzleistung für einen dreimonatigen Vollausstieg und dreijährige Teilausstieg, die pflegebedingte Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert. Weil neben finanzieller auch praktische Unterstützung wichtig ist, setzen wir uns für den Ausbau kommunaler Unterstützungsstrukturen ein. Dafür wollen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das vor Ort zu gestalten. Ein Bundesprogramm soll eine Anschubfinanzierung für Kommunen bereitstellen, die sich hier auf den Weg machen. Ein wichtiger Baustein ist dabei der Ausbau von ambulanten Angebote und der Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege.
- Pflegebedürftige und ihre Angehörigen müssen immer mehr eigenes Geld für die Pflege aufbringen. Wir wollen, dass Pflegebedürftige die für sie notwendigen Pflegeleistungen erhalten, ohne von Armut bedroht zu sein. Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. So garantieren wir, dass die selbst aufzubringenden Kosten verlässlich planbar werden. Die Pflegeversicherung soll alle darüber hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte (ambulante wie stationäre) Pflege tragen. Mit einer solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen."
Seit Jahren beobachten wir nun bereits einen Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, der Pflegebereich ist davon besonders betroffen. Und leider setzt sich diese Entwicklung weiter fort: Immer mehr Menschen wechseln den Beruf, weil die Arbeitsbedingungen unattraktiv sind und der Druck auf sie zunehmend wächst. Allein die Corona-Pandemie hat zu einer regelrechten Welle an Berufsaussteiger:innen geführt. Diesen Trend gilt es, aufzuhalten und umzukehren, zum Beispiel durch eine patientenorientierte Organisation von Pflegeprozessen nach internationalen Standards, durch mehr Digitalisierung des Gesundheitswesens, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, durch alters- und geschlechtersensible Personalkonzepte und Arbeitszeiten, die die besonderen Herausforderungen der Lebenslagen der Mitarbeitenden im Blick haben, Unterstützung der beruflichen Weiterentwicklung und umfassende Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Insbesondere der vorletzte Aspekt der beruflichen Weiterbildung ist mir besonders wichtig: Arbeit soll nicht nur Spaß machen, sondern auch fordern. Wer sich also weiterentwickeln möchte, muss die Chance dafür bekommen - und am Ende auch erweiterte Kompetenzen erhalten als Wertschätzung einerseits und zur Entlastung der angespannten Lage andererseits.