Wieso brechen EU-Abgeordnete der deutschen Regierungsparteien den Koalitionsvertrag?
Sehr geehrter Herr Körner,
mit Entsetzen lese ich Meldungen wie diese: "Die Ampelkoalition hat [..] Versprechen aus dem Koalitionsvertrag gebrochen und setzt sich für biometrische Massenüberwachung ein" (https://digitalcourage.de/blog/2023/biometrie-ampel-bricht-koalitionsvertrag). Wie kann es sein, daß die EU dieselben technischen Methoden einsetzen möchte wie China (nur mit dem Vorwand, daß die Echtzeitauswertung verboten wird - 10sec Verzögerung ist ok)?
Ich bitte Sie dringend, eine digitale Infrastruktur sicherzustellen, die dem Bürger dient - weder dem Staat noch den Konzernen. Sie wurden (mittelbar) von mir gewählt - weder von Hr. Buschmann noch von Amazon, Google, Meta.
Sehr geehrter Herr B.,
für mich als Freien Demokraten bleibt klar, dass die Bürgerrechte auch im digitalen Zeitalter an erster Stelle stehen müssen. Die Einführung von mehr Überwachungsmöglichkeiten, insbesondere mit Gesichtserkennung, würden einen Einstieg in eine vollständige Überwachung führen. Das Sozialkreditsystem im autoritären China sollten dabei eigentlich Abschreckung genug sein.
Die Bürgerinnen und Bürger sollten in Deutschland und der gesamten EU ein Anrecht auf Rückzugsorte, Anonymität und Freiheit haben. Auch dafür kann die Europäische Union einen Rahmen bieten. Denn gerade wenn es darum geht, Innovationstechnologien wie die künstliche Intelligenz in Europa zu fördern, braucht es Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Dieses Vertrauen ist aber mit Sicherheit nur gewährleistet, wenn niemand Angst um die eigenen Freiheitsrechte haben muss.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass sich die FDP in sämtlichen von ihr geführten Ministerien umfassend für Ihre Bürgerrechte einsetzt. Auch im Bundestag und hier im Europäischen Parlament setzt sich die FDP für einen bestmöglichen Schutz der Privatsphäre ein. Für mich steht fest, dass biometrische Fernidentifizierungssysteme im öffentlichen Raum nichts zu suchen haben. Meine Position ist auch davon unabhängig, wer diese Systeme einsetzen möchte, oder ob die Auswertung in Echtzeit oder verzögert erfolgt.
Mit dem gegenwärtigen Kompromisstext des Binnenmarktausschusses und des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten gehen wir dabei meiner Ansicht nach in eine angemessene Richtung. So verbieten wir beispielsweise biometrische Erkennungssysteme in Echtzeit in öffentlich zugänglichen Räumen, biometrische Kategorisierungssysteme, die sensible Merkmale verwenden, prädiktive Polizeisysteme sowie das wahlloses Auslesen biometrischer Daten aus sozialen Medien oder Videoüberwachungsaufnahmen zur Erstellung von Gesichtserkennungsdatenbanken. Alles Themenpunkte die eine klare liberale Handschrift tragen und eine Stärkung unserer Bürgerrechte bedeuten.
In diesem Zusammenhang kann ich des Weiteren nur auf die Arbeit meiner geschätzten Kollegin Svenja Hahn verweisen, welche seit mehreren Monaten federführend für die FDP-Fraktion versucht dem Gesetzestext eine liberale Handschrift zu verleihen. Der Kompromiss für ein Verbot biometrischer Überwachung im öffentlichen Raum kann dabei als eines von vielen Beispielen ihrer erfolgreichen Arbeit aufgezählt werden. Ich blicke somit positiv in die Zukunft und denke, dass wir in der finalen Verordnung eine attraktive Lösung finden werden. Wenn Sie mehr über die Position der FDP im Europäischen Parlament zum AI-Act lesen wollen, kann ich Ihnen den Gastbeitrag meiner Parlamentskollegin Svenja Hahn empfehlen.
Mit freundlichen Grüßen
Moritz Körner