Sehr geehrter Herr Körner, haben Sie für oder gegen NGT gestimmt und sind Sie für oder gegen eine Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln? Grüße
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Wir Freien Demokraten im Europäischen Parlament begrüßen die Reformierung der Rechtslage zu neuen Züchtungsmethoden (NGTs; engl. new genomic techniques). Die neuen Züchtungsmethoden, wie beispielsweise Genscherenverfahren, ermöglichen gezielte Veränderungen einzelner Basenpaare im Erbgut von Pflanzen. Im Vergleich zur herkömmlichen grünen Gentechnik bieten diese Verfahren hochselektive und transparente Möglichkeiten der Züchtung.
Der im Europäischen Parlament beschlossene Text sieht vor, Pflanzen, bei denen kein artfremdes Erbgut eingefügt wurde und bei denen maximal 20 genetische Veränderungen vorgenommen wurden (Kategorie NGT-1), von der europäischen Gesetzgebung für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) auszunehmen. Für andere mit neuen Züchtungsmethoden erzeugte Pflanzen (NGT-2) soll die GVO-Verordnung weiterhin gelten, wobei insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Zulassung unterstützt werden sollen.
Es ist wichtig zu betonen, dass NGT1-Pflanzen auch über herkömmliche Züchtungsverfahren entstehen könnten, allerdings nur mit erheblichem zeitlichen Aufwand. Neue Züchtungsmethoden bieten somit die Möglichkeit, resistentere Sorten und Pflanzen mit geringerem Pflanzenschutzmittelbedarf schneller verfügbar zu machen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sieht bei NGTs keine neuen Gefahren durch zufällige „Off-Target Mutationen“ als bei bereits bestehenden Verfahren wie Mutagenese oder Hybridisierung. Auch die Leopoldina und die Deutsche Forschungsgesellschaft beziehen eindeutig Stellung zum relativen Risiko: „Nach den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Kommission kann das Vorsorgeprinzip nur angewendet werden, wenn es einen wissenschaftlich begründeten Besorgnisanlass gibt. Dieser fehlt im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten. Zahlreiche in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften veröffentlichte Studien enthalten keinerlei Hinweise darauf, dass die NGT oder deren Produkte ein höheres Risiko für Mensch und Umwelt bergen als Pflanzensorten und deren Produkte, die durch natürliche Mutationen, klassische Kreuzungszüchtung oder die Mutagenesezüchtung (mittels Bestrahlung oder Chemikalien) erzeugt wurden. Daher begründen die verfahrenstechnischen Fortschritte der neuen genomischen Techniken nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand keinen Besorgnisanlass. Aufgrund der gezielten, ortsspezifischen Mutationen und der damit zugleich signifikant geringeren Zahl an Mutationen ist das Risikoprofil der NGT-1-Pflanzen geringer als dasjenige der nicht regulierten, mittels Zufallsmutagenese erzeugten Pflanzen.“
In Bezug auf kursierende Mythen rund um NGTs betonen wir, dass diese Verfahren es nicht ermöglichen, Bereiche des Genoms zu verändern, die durch andere Verfahren nicht veränderbar wären. Es besteht kein höheres Risiko für Veränderungen im Erbgut herkömmlicher Pflanzen durch Einkreuzung oder Kontamination durch benachbarter Felder.
Für uns Liberale ist es dennoch essenziell, die Wahlfreiheit zu garantieren. Deshalb muss Saatgut von NGT-1 Pflanzen stets gekennzeichnet sein. Jeder Anbieter muss zudem die Freiheit haben, die Abwesenheit von NGTs zu kennzeichnen, um Verbrauchern eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Die finale Parlamentsposition sieht nur eine Kennzeichnung durch die gesamte Wertschöpfungskette vor.
Um die Koexistenz und Haftung im Schadensfall zu regeln, setzen wir uns dafür ein, dass Landwirte, die sich gegen die Nutzung von NGT-Pflanzen entschieden haben, nicht durch höhere Auflagen belastet werden. Eine unbürokratische Koexistenz soll gewährleistet werden, und mögliche Rückstände von NGT-Pflanzen im Biolandbau sollen nicht automatisch zu einem Statusverlust führen. Damit konnten wir uns im Parlament durchsetzen.
Weiterhin wichtig aus unserer Sicht ist die Regelung von Patenten für NGT1-Pflanzen. Wir vertreten die Auffassung, dass Pflanzen, die auch auf natürlichem Wege entstanden sein könnten, nicht patentierbar sein sollten. Dies unterstützt den Open-Source-Gedanken des bestehenden Saatgutrechts, der kleinen und spezialisierten Zuchtanbietern ermöglicht, Pflanzen gebührenfrei weiterzuentwickeln und so eine Oligopolisierung der Branche zu verhindern. Auch hier konnten wir die Mehrheit der Abgeordneten überzeugen.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns als FDP im Europäischen Parlament uns weiterhin ohne ideologische Scheuklappen und unter stetiger Beachtung der wissenschaftlichen Forschung für eine ausgewogene Regulierung neuer Technologien einsetzen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Moritz Körner