Position zu Pushbacks an den europäischen Grenzen
Ist die Verletzung des absoluten Folterverbots im Zuge illegaler Pushbacks an der EU-Außengrenze Thema im Ausschuss LIBE?
Im Bericht des CPT vom März 2023 werden Misshandlungen bei Pushbacks an den EU-Außengrenzen beschrieben. Wie reagiert der Ausschuss LIBE auf diesen Bericht?
Fordert der Ausschuss LIBE ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die fraglichen Länder (Griechenland / Litauen / Lettland / Polen / Spanien) wegen illegaler Pushbacks und damit einhergehender Misshandlungen von Schutzsuchenden?
Mit freundlichen Grüßen,
Gudula D.
Sehr geehrte Frau D.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Das Thema Migration und somit auch die illegalen Pushbacks sind im LIBE-Ausschuss, dem Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Inneres und Justiz, selbstverständlich immer wieder Thema.
Als Freie Demokraten kritisieren wir die Praxis sogenannter Pushbacks scharf, weil sie gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen. Gemäß dem Dubliner Übereinkommen hat jeder Asylsuchende das Recht auf ein faires Asylverfahren und den Zugang zu Rechtsmitteln. Frontex als europäische Grenzagentur ist durch die entsprechende Verordnung auch sowieso im besonderem Maße dem Verbot von Folter verpflichtet. Durch das Zurückdrängen von Migranten und Migrantinnen ohne Prüfung ihres Schutzbedarfs und ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, einen Asylantrag zu stellen, werden jedoch ihre Rechte verletzt. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich bei diesen Menschen in vielen Fällen um schutzbedürftige Individuen handelt, die oftmals vor Konflikten und Verfolgung fliehen.
Gemeinsam mit anderen Abgeordneten hat mein Kollege Jan-Christoph Oetjen als migrationspolitischer Sprecher der FDP im Europaparlament regelmäßig mehr Aufklärung durch die EU-Kommission gefordert. Die letzte Anfrage an die Kommission (die Antwort ist zu diesem Zeitpunkt noch ausstehend) finden Sie hier.
Als Europäer und Europäerinnen sollten wir uns unserer Verantwortung bewusst sein, Menschenwürde zu wahren und Menschenrechtsverletzungen an unseren Grenzen entgegenzutreten. Wir müssen alternative Lösungen finden, die auf einem fairen und humanitären Ansatz basieren und die grundlegenden Prinzipien unserer liberalen Werte respektieren. Wenn dieser Respekt bei verantwortlichen Akteuren nicht vorhanden ist, müssen diese selbstverständlich zur Rechenschaft gezogen werden. Bei gesicherter Erkenntnis über systematische Menschenrechtsverletzungen sollte ein Verfahren nach Artikel 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gegen den betreffenden Mitgliedsstaat eröffnet werden. Dafür setzen wir uns auch im LIBE-Ausschuss ein.
Wie der von Ihnen zitierte Bericht zeigt, bedarf es jedoch noch weiterer Reformen. Die jüngst im Rat erzielte Einigung über neue Asyl- und Migrationsgesetze kann dabei als erster großer Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. Die Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement soll die geltende Dublin-Verordnung ersetzen, sobald sie vereinbart ist. Sie sieht eine Straffung des Asylverfahrens, raschere Grenzabwicklungen, neue Gespräche über angemessene Kapazitäten sowie eine stärkere Bekämpfung von Missbrauch und Sekundärmigration vor.
Auch wenn sie noch nicht von allen EU-Mitgliedsländern vollständig getragen wird, können diese Anstrengungen als ein kaum zu überschätzender Erfolg angesehen werden. Sie bieten erste praktikable und pragmatische Lösungsansätze, die es den EU-Staaten in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern endlich ermöglichen, vereint zu handeln, sodass sowohl die Bürger und Bürgerinnen der EU als auch Migranten und Migrantinnen eine faire Lösung erhalten. Als FDP-Delegation im Europäischen Parlament arbeite wir konstruktiv an der Kompromissfindung mit.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Erklärungen weiterhelfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Moritz Körner