Frage an Monika Brüning von Rainer S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Brüning,
In der Leinezeitung 17.05.2008, Seite 18 wird über Sie berichtet, dass Sie der Diätenerhöhung zustimmen werden. Die Diäten sollten sich an der Entlohnung von Bundesrichtern ausrichten. Weiter werden Sie zitiert: "Ich habe kein Verständnis dafür, wenn den Volksvertretern Selbstbedienungsmentalität vorgeworfen wird". Dazu habe ich folgende Fragen:
1. Ist es nicht sehr vermessen, sich an dem Einkommen einer Berufsgruppe zu orientieren, die eine etwa10jährige Berufsausbildung absolviert, sich im Wettbewerb gegen andere hochqualifizierte Bewerber bis zum Bundesrichter durchgesetzt hat und somit eine deutlich höhere Berufsqualifikation aufweist als eine Mehrzahl der Abgeordneten ?
2. Warum machen Sie die Erhöhung der Diäten nicht davon abhängig, dass andere strittige Einkommensfragen der Abgeordneten gleich mit geregelt werden?
Der Vorwurf der Selbstbedienungsmentalität ist im Hinblick auf die Höhe der Diäten kaum berechtigt. Wenn man aber dazu auch noch die völlig überzogene Alterssicherung, die Beihilfe im Krankheitsfalle und die Kostenpauschale betrachtet, ist der Vorwurf absolut zutreffend. Hier verschaffen sich die Abgeordneten erhebliche Vorteile auf Kosten des Steuerzahlers. Andererseits zwingen sie den Bürger per Gesetz in eine bankrotte Renten- und eine marode Krankenversicherung, streichen ihm die Kilometerpauschale und das häusliche Arbeitszimmer und kassieren selbst eine Kostenpauschale, über die sie nicht einmal abrechnen müssen.
3. Wie können Abgeordnete bei derart widersprüchlichem Verhalten, immer zum eigenen Vorteil, noch beanspruchen, als glaubwürdig angesehen werden?
Mit freundlichen Grüßen
R. Schade
Sehr geehrter Herr Schade,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der aktuellen Diskussion um die Abgeordnetenbezüge.
Vor dem Hintergrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet. Die Schere zwischen dem Anstieg der Abgeordnetenentschädigung im Vergleich zu anderen Einkommensgrößen war seit nahezu 30 Jahren immer weiter auseinander gegangen. Die im November letzten Jahres verabschiedete Anhebung der Diäten zum 01. Januar 2008 war damit die erste Erhöhung seit fünf Jahren. Grundlage hierfür bildete nach wie vor eine Verpflichtung des Bundesverfassungsgerichts aus den 70er Jahren, wonach die Abgeordneten selbst über ihre Diäten zu entscheiden haben.
Jetzt verzichten die Abgeordneten auf eine Übertragung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst und damit auf eine weitere Erhöhung ihrer Entschädigung. Wie Sie wissen, haben sich laut Gesetz die monatlichen Bezüge der Abgeordneten an den Bezügen eines Richters bei einem obersten Gerichtshof des Bundes und den Gehältern von gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern und Oberbürgermeistern mittlerer Kommunen zu orientieren. Da Abgeordnete als "Volksvertreter" immer auch einen Querschnitt des Volkes repräsentieren, haben diese zwar teilweise andere berufliche Qualifikationen aber damit keineswegs schlechtere als Bundesrichter oder hauptamtliche Bürgermeister vorzuweisen. Als Folge der Erhöhung der Richter- und Beamtenbesoldung hätte sich eigentlich auch die Abgeordnetenentschädigung erhöht. Dies wird nicht umgesetzt!
Was eine angemessene Vergütung ist, wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Bürger in ihrem Wahlkreis betreuen und in Berlin vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die die Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu beschließen (Kosovo, Afghanistan) oder abzulehnen haben (Irak)? Was ist angemessen für Abgeordnete, die über die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme zu entscheiden haben? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu entscheiden haben?
Manchen Unmut kann ich verstehen, aber uns Abgeordneten unentwegt der "Selbstbedienungsmentalität" zu bezichtigen, finde ich völlig unangemessen. Es stimmt schlichtweg nicht, wenn uns ständig unser eigener finanzieller Vorteil unterstellt wird. Sie können mir glauben, dass wir uns innerhalb der Fraktion aus den bekannten Gründen sehr intensiv und auch kritisch mit der Abgeordnetenentschädigung auseinandersetzen.
Die von Ihnen angesprochene Kostenpauschale für die Mitglieder des Bundestages ist meines Erachtens angemessen und deckt Ausgaben wie z.B. Einrichtung und Unterhaltung eines oder mehrerer Wahlkreisbüros, Büromaterial, Telefon und Reisen ab. Kosten, die darüber hinausgehen, sind von den Diäten zu bezahlen. Sie können - im Gegensatz zu anderen Steuerpflichtigen - auch nicht steuerlich abgesetzt werden. Die Abgeordnetenentschädigung selbst ist überwiegend mit dem höchsten Satz zu versteuern, so dass es sich hierbei wohl kaum um Selbstbedienungsmentalität handeln kann.
Im Kern denke ich, dass in der Bevölkerung vor allem Unmut über die Pensionen von Abgeordneten besteht. Deshalb haben wir die Diätenanpassung zum 1. Januar 2008 an eine Absenkung der Altersversorgung gekoppelt, mit der Folge, dass schon der erste Schritt der Anpassung der Diäten zum 01. Januar 2008 mit einer Absenkung des Steigerungssatzes der Altersversorgung von 16 % einhergeht.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages erhalten zurzeit eine öffentlich-rechtliche Altersversorgung. Dieses Modell wurde gewählt, weil es die auch für andere öffentliche Ämter in der Bundesrepublik ebenfalls eingeführte Versorgungsform ist. Die Altersentschädigung der Abgeordneten ist im Gegensatz zu einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung voll zu versteuern; private Erwerbseinkünfte vor Vollendung des 65., zukünftig des 67. Lebensjahres, werden voll auf die Altersentschädigung angerechnet.
Die Höhe der Altersentschädigung wird von bisher 3% zukünftig für jedes Jahr der Mitgliedschaft im Bundestag auf 2,5% der monatlichen Abgeordnetenentschädigung abgesenkt. Der Höchstsatz wird erst nach 27-jähriger Mitgliedschaft im Bundestag erreicht. Eine so lange Zugehörigkeit zum Bundestag ist die absolute Ausnahme und setzt voraus, dass der Abgeordnete sieben Mal in den Bundestag gewählt worden ist. Tatsächlich scheiden aber 40% der Abgeordneten bereits erheblich früher wieder aus dem Bundestag aus. Ein Abgeordneter mit einer durchschnittlichen Verweildauer von 12 Jahren erhält somit zukünftig 30% der monatlichen Abgeordnetenentschädigung als zu versteuernde Altersversorgung.
Darüber hinaus wird die Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung ("Rente mit 67") mit der stufenweisen Anhebung der Altersgrenze für die Altersentschädigung von dem 65. Lebensjahr auf das 67. Lebensjahr wirkungsgleich umgesetzt.
Gerne diskutiere ich dieses Thema mit Ihnen persönlich weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Monika Brüning