Frage an Monika Brüning von Ansgar H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Brüning,
als Bundestagsabgeordnete meines Wahlkreises möchte ich zunächst Ihre Bewertung des Stammzellenbeschlusses des CDU-Bundesparteitages kennenlernen. Ich bin seit 1972 Mitglied der CDU. Es häufen sich für mich die Fragen, ob ich weiterhin CDU-Mitglied bleiben kann.
Vorab meinen Dank für Ihre Mühe zu antworten.
Mit freundlichem Gruß
Ansgar Holzknecht
Großburgwedel 11.12.07
Sehr geehrter Herr Holzknecht,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich meiner Haltung zur Stammzellforschung.
Zunächst schiebe ich voraus, dass die Beratungen, ob das Stammzellgesetz überhaupt verändert werden soll, noch nicht abgeschlossen sind. Die Union wird zur Frage einer Stichtagsverschiebung im Stammzellgesetz - soviel steht fest - keinen Fraktionsantrag einbringen. (Derzeit dürfen nur Stammzellen, die vor dem 1.1.2002 entstanden sind, importiert und unter strengen Voraussetzungen für die Forschung verwendet werden). Dieses sensible Thema bleibt eine Gewissensfrage, die jeder allein für sich verantwortlich beantworten muss.
Der CDU-Bundesparteitag hat mit großem Ernst eine Debatte darüber geführt, ob der Stichtag im Stammzellgesetz vom Jahr 2002 in das Jahr 2007 verlegt werden soll. Anlass der Debatte ist der dringende Wunsch der Deutschen Forschungsgemeinschaft, einen neuen Stichtag festzusetzen, da die alten, vor 2002 gewonnenen Zelllinien mit tierischen Materialien verseucht, die neuen Zelllinien hingegen rein sind. Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft arbeitet mit diesen neuen, reinen Linien. Deutschland sollte sich auch daran beteiligen können. Nach einer intensiven Diskussion hat sich die Mehrheit der Delegierten für eine behutsame Weiterentwicklung des Stammzellgesetzes bzw. für einen Stichtag im Jahr 2007 entschieden.
Der Bundesparteitag hat zur biomedizinischen Forschung insgesamt folgenden Grundsatzbeschluss gefasst: "Die biomedizinische Forschung bietet Lösungen für Zukunftsprobleme und trägt wesentlich zur Heilung von Krankheiten und Linderung von Leid bei. Chancen und Risiken sind gewissenhaft abzuwägen. Die Achtung der unantastbaren Würde des Menschen hat für uns Vorrang vor der Freiheit der Forschung und der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit. Wir wollen die Beibehaltung des konsequenten Embryonenschutzes und wenden uns gegen verbrauchende Embryonenforschung. Dafür setzen wir uns auch auf europäischer und internationaler Ebene ein. Das Klonen von Menschen lehnen wir ab."
Soweit der Parteibeschluss. Die aktuellen Forschungsergebnisse von November 2007 in den USA und Japan haben die Diskussion zur Stammzellforschung neu belebt. Die in Japan und den USA geglückte Reprogrammierung von menschlichen Hautzellen zu Stammzellen, die embryonalen Stammzellen stark ähneln, ist eine wissenschaftliche Sensation. Die sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) lassen die Entwicklung von Therapien bislang unheilbarer Krankheiten wie z. B. Parkinson erhoffen.
Darüber hinaus geben die iPS Grund zu der Hoffnung, dass mittelfristig auf den ethisch umstrittenen Einsatz von humanen embryonalen Stammzellen in der Forschung verzichtet werden kann. Daher wurde diese aktuelle wissenschaftliche Entwicklung auch von vielen Seiten begrüßt, und sie hat unmittelbar Eingang gefunden in die Diskussion um eine mögliche Änderung des Stammzellgesetzes.
Bei aller Freude über die gelungene Reprogrammierung darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Wissenschaft mit den jetzt entstandenen induzierten pluripotenten Stammzellen noch nicht am Ziel ist. Diese iPS sind für Anwendungen am Menschen nicht brauchbar, weil sie durch die Methode ihrer Herstellung mit Viren verunreinigt sind. Es bedarf daher weiterer Forschung. Dabei kann auf den Einsatz embryonaler humaner Stammzellen als Referenz vorläufig nicht verzichtet werden.
Als Christ hat für mich die Sorge um schwer kranke Menschen Vorrang vor einem Prinzip, das einer Zelllinie, die aus einer überzähligen befruchteten Eizelle gewonnen wurde, einen höheren Rang einräumt. Die Ethik des Heilens festigt unser Wertefundament. Werte müssen sich nämlich meiner Meinung nach dort erweisen, wo sie dem Menschlichen dienen. Ich persönlich tendiere deshalb dazu, den sogenannten Stichtag im Stammzellgesetz einmalig zu verschieben, so dass deutsche Stammzellforscher sich an der von allen erwünschten Entwicklung von Alternativen zum Einsatz von embryonalen Stammzellen beteiligen können. Das Ziel ist, auf die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen mittelfristig verzichten zu können.
Ich begrüße daher, dass die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan MdB, die Mittel für die Entwicklung von Alternativen noch einmal verdoppeln will von 5 Mio. Euro auf 10 Mio. Euro pro Jahr.
Insgesamt stehen damit für die Stammzellforschung etwa 20 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung. Anders als immer wieder behauptet wird, entfällt davon lediglich ein sehr kleiner Anteil auf die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen; über 90 Prozent der Mittel gehen in die Forschung mit adulten humanen Stammzellen und mit Tiermodellen.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Brüning, MdB