Warum fordern Sie nicht einen sofortigen Stopp der Waffenlieferungen an Israel sowie einen Waffenstillstand im Krieg gegen das palästinensische Volk?
Am Tag nach der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, alle Behauptungen Südafrikas, Israel begehe Völkermord, seien plausibel, beschuldigte Israel einige Mitarbeiter der UNWRA, an den Anschlägen vom 7. Oktober beteiligt gewesen zu sein. Was hat Deutschland getan, bevor es auf eine unabhängige Untersuchung gewartet hat? Die Finanzierung wurde sofort eingestellt, als die Menschen sie am meisten brauchten. Ich bin absolut empört und entsetzt über die Reaktion Deutschlands und seine Doppelmoral. Es ist völlig klar, dass sich die deutsche Regierung wenig um das Leben der Palästinenser schert. Wo ist die Menschlichkeit? Jeden Tag wache ich auf und frage mich, was nötig ist, damit Länder mit Einfluss auf die israelische Regierung ihre Stimme erheben. Dies geschieht nicht in meinem Namen, für mich gelten die Menschenrechte für alle Menschen.
Der 7. Oktober 2023 markiert eine Zäsur für Jüdinnen und Juden, Israelis und Palästinenser:innen auf der ganzen Welt ebenso wie für die gesamte Staatengemeinschaft. Die Ereignisse haben auf allen Seiten des Konflikts traumatische Dimensionen erreicht.
Wir verurteilen den Terror der Hamas gegen israelische Zivilist:innen aufs Schärfste und stehen aus besonderer historischer und politischer Verantwortung solidarisch an der Seite Israels. Seit dem Holocaust sind noch nie so viele Israelis an einem Tag getötet worden wie bei diesem menschenverachtenden Angriff. Israel kämpft gegen einen Feind, der die unschuldige Zivilbevölkerung in Gaza auf perfide Weise als Schutzschilde und Faustpfand nutzt. Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen der Vorgaben, die das Völkerrecht für solche Ausnahmesituationen vorsieht. Israel hat auch die Pflicht, wie jedes Mitglied der internationalen Gemeinschaft, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten und muss den Schutz von Zivilist:innen sicherstellen. Deshalb ist Kritik an der Kriegsführung der israelischen Regierung auch möglich und nötig, was auch in Israel selbst vehement debattiert wird. Das immense Leid der Menschen im Gazastreifen muss dringend beendet werden. Die Zahl der getöteten und verwundeten palästinensischen Zivilist:innen hat in so kurzer Zeit historische Dimensionen erreicht.
Die humanitäre Lage der in Gaza festsitzenden Zivilbevölkerung wird während der kriegerischen Auseinandersetzung jeden Tag katastrophaler. Außenministerin Baerbock beschrieb die humanitäre Situation in Gaza als „Hölle auf Erden“. Sie und andere Vertreter:innen der Bundesregierung, wie Luise Amtsberg, die Beauftrage der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, setzten sich fortlaufend dafür ein, dass deutlich mehr dringend notwendige humanitäre Hilfe in den Gaza-Streifen gelangt.
In diesem Zusammenhang hat die deutsche Bundesregierung die humanitäre Hilfe für die Palästinensischen Gebiete seit dem 7. Oktober 2023 um insgesamt 138 Millionen Euro aufgestockt. (https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/nahermittlererosten/-/2627842). Humanitäre Hilfe hat das alleinige Ziel, Leben zu retten und Leiden zu mindern und richtet sich unterschiedslos an Opfer von Konflikten, Katastrophen und Gewalt. Sie muss neutral, unparteilich und unabhängig sein, d.h. von diesen Prinzipien geleitet und frei von politischen Interessen und jeglicher Instrumentalisierung. Diese universellen Werte gelten natürlich auch in diesem Konflikt für Zivilist:innen auf beiden Seiten.
Außenministerin Annalena Baerbock setzt sich in ihrer Pendeldiplomatie unermüdlich für humanitäre Zugänge, Feuerpausen und eine politische Lösung in dem Konflikt ein. Am 19. Februar hat sich Deutschland zudem dem gemeinsamen Aufruf von 26 EU-Staaten angeschlossen und vor einer militärischen Offensive in Rafah gewarnt, wo 1,3 Millionen Menschen Schutz gesucht haben und unter unmenschlichen Bedingungen ausharren. Die europäischen Staaten fordern damit auch eine sofortige Waffenruhe, die zu einem langfristigen Waffenstillstand führen soll.
Als Grüne Bundestagsfraktion stehen wir fest zu Menschenrechten, zum humanitären Völkerrecht und den darin festgeschriebenen humanitären Prinzipien. Danach sind die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur, v.a. Krankenhäuser oder Schulen, unter allen Umständen zu schützen. Gleichsam verstoßen der Angriff auf unschuldige Zivilistinnen und Zivilisten in Israel sowie der Missbrauch von zivilen Personen als Schutzschilde im Gaza-Streifen durch die Hamas ebenfalls gegen alle Regeln des humanitären Völkerrechts. Wir appellieren an alle beteiligten Akteure sich an humanitäres Völkerrecht zu halten und Bemühungen um eine humanitäre dringend notwendige Feuerpause fortzusetzen.
Die Terror-Angriffe der Hamas haben nicht nur schreckliches Leid über Israel gebracht und das Leben vieler Menschen in Gaza aufs Spiel gesetzt, sie haben weltweit tiefe Gräben aufgerissen. Dem Kalkül der Terroristen, die einen Keil des Hasses zwischen uns treiben wollen, stellen wir, auch in den Vereinten Nationen, unsere klare Haltung entgegen: Es ist ein zentraler Bestandteil der Sicherheit Israels, dass wir das Leid auf beiden Seiten des Konflikts sehen. Deshalb werden wir uns auch weiterhin ohne Unterlass für eine Verbesserung der humanitären Lage aller Menschen in dem Konflikt einsetzen, das gilt für Zivilistinnen und Zivilisten im Gaza-Streifen und der Westbank ebenso wie für die israelischen Geiseln in den Händen der Hamas, die umgehend freigelassen werden müssen.
Als Verfechter einer normbasierten multilateralen Ordnung respektieren wir Grüne im Bundestag die internationalen Organisationen und deren Unabhängigkeit, so auch den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Dieser hat am 26. Januar 2024 im Rahmen des laufenden Genozid-Verfahrens Südafrika vs. Israel über einen Eilantrag Südafrikas entschieden. Der Gerichtshof verpflichtete Israel dazu Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um einen Völkermord in Gaza zu verhindern. Zu den angeordneten Maßnahmen zählen u.a. dass dringend benötigte Grundversorgung und humanitärer Hilfe sichergestellt werden muss, die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen ist und öffentlichen Anstachelungen zum Genozid in Israel nachgegangen und sanktioniert werden müssen. Ministerin Baerbock hat noch am selben Tag bekräftigt, dass diese Anordnungen völkerrechtlich verbindlich sind. Gleichsam hat der IGH deutlich gemacht, dass Israels Krieg im Gazastreifen Gaza auf den Hamas-Terror des 7. Oktobers folge, und daran erinnert, dass auch Hamas an das humanitäre Völkerrecht gebunden sei. Zudem müssten die israelischen Geiseln freigelassen werden. Diesen Forderungen schließen wir Grüne im Bundestag uns an.
Das Verfahren vor dem IGH kann noch Jahre dauern. Wir hoffen inständig, dass parallel dazu ein internationaler Friedensprozess in Gang kommt, der langfristig Frieden und Sicherheit für alle Menschen im Nahen Osten bringt. Für uns Grüne im Bundestag ist klar, dass die Sicherheit von Israelis und Palästinenser:innen unmittelbar miteinander verknüpft sind. Wir Grüne setzen uns daher für eine Zwei-Staaten-Lösung auf Grundlage der Grenzen von 1967 als Ergebnis einer gemeinsam verhandelten Lösung ein. Nur eine politische Lösung mit zwei lebensfähigen und friedlich koexistierenden Staaten kann den Menschen in Israel wie auch in den palästinensischen Gebieten langfristig ein Leben in Frieden, Würde und mit gleichen Rechten bringen.