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Frage von Franz S. •

Frage an Miriam Gruß von Franz S. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Gruß,

ich habe heute im DLF Ihr Interview zum tragischen Tod der fünfjährigen Lea-Sophie verfolgt. Dazu habe ich einige weitergehende Fragen:

- Derzeit werden in der Politk einige Maßnahmen diskutiert, wie solche Fälle in Zukunft ausgeschlossen werden können. Unter anderem stehen dort Zwangsuntersuchungen für Kinder zur Diskussion. Wieder wird ein weitere Eingriff in die Privatspäre der Bürger diskutiert, der in meinen Augen einen fraglich Nutzen bringt. In diesem konkreten Fall waren die Behörden informiert, habe aber nicht adequat reagiert. Ihren Hinweis über die hohe Belastung der Mitarbeiter des Jugendamts mag berechtigt sein, klärt aber nicht die Frage der Verantwortung. Ich bitte Sie, auf diese Frage einzugehen.

- Bitte erklären Sie mit, wie eine gesonderte Aufnahme des Schutzes von Kindern in das Grundgesetz solche Fälle verhindern kann. Nach meiner Meinung ist durch das GG bereits die Würde _aller_ Menschen, geschützt und das schließt Kinder wohl ein. Handelt es sich bei einer solchen Bemühung nicht nur um eine mediale Nebelkerze?

- Vom Moderator darauf angesprochen, dass die Eltern des Kindes Hartz-4-Empfänger sind, haben Sie (sinngemäß?) geantwortet: "materielle Armut bedeutet auch geistige Armut". Das ist in meinen Augen eine ungeheuerliche Behauptung. Klar gibt es eine statistische Korrelation zwischen Armut und niedrigem Bildungsniveau (das man aber sicher nicht mir geistiger Armut gleichsetzen kann), aber Ihr Satz ist eine Beleidigung für viele Menschen, die objektiv oder subjektiv arm sind.

- Mit Ihren folgenden Äußerungen habe Sie weiterhin bei mir den Eindruck erweckt, dass für Sie Elternliebe vom materiellen Wohl der Eltern abhängt. Bitte erklären Sie mir diesen Zusammenhang genauer.

Mit freundlichen Grüßen,
Franz Schwarz

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schwarz,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Die darin gestellten Fragen beantworte ich gerne.

Verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen können nicht das Allheilmittel im Kampf gegen Kindesvernachlässigungen und Misshandlungen sein. Es bedarf vielmehr auch eines gut ausgebildeten Netzwerkes von Kinderärzten, Hebammen, Jugendämtern und aller am aufwachsen von Kindern Beteiligter. Die Jugendämter beispielsweise müssen finanziell und personell besser ausgestattet werden. Denn es ist unerlässlich, dass die Kinder zu Hause besucht und angeschaut werden.

Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz würde das allgemeine Bewusstsein für die Rechte von Kindern stärken und gerade angesichts der leider zunehmenden Fälle von Vernachlässigung und Misshandlung würde verdeutlicht werden: Deutschland nimmt seine Kinder ernst, wir sind ein kinderfreundliches Land. Kinder sind zwar durch die Würde aller Menschen geschützt, doch ich denke, dass gerade Kinder einer besonderen Stellung im Grundgesetz bedürfen. Explizit werden sie dort nämlich nur als Objekte genannt, nicht als Subjekte. Durch die Festschreibung ihrer Rechte würden die Kinder zu eigenen Rechtsträgern. Die Position des Kindes würde sich dann im Konfliktfall gegenüber Staat und Eltern verbessern; das Elternrecht bliebe natürlich bestehen, würde sich aber weit klarer als bisher am Wohl des Kindes und seinen Rechten orientieren. Auch die Politik wäre verpflichtet, bei allen Kinder betreffende Entscheidungen dem Kindeswohl Vorrang einzuräumen und für kindgerechte Lebensbedingungen zu sorgen. Vor diesem Hintergrund ist Ihre Befürchtung einer "medialen Nebelkerze" also meines Erachtens nicht haltbar.

Bezüglich meiner Aussage zu Kinderarmut möchte ich Sie korrigieren: Ich habe *nicht* von geistiger Armut gesprochen, was in der Tat eine haltlose Behauptung wäre, sondern von *ideeller* Armut. Mit geistiger Armut möchte ich diesen Umstand in keinem Fall in Verbindung gebracht wissen. Vielmehr mit einer zusätzlichen Isolation dieser Kinder, da sie sich aufgrund ihrer Lebensumstände oftmals nicht an den Aktivitäten ihrer Altersgenossen beteiligen können. Die World Vision Kinderstudie des renommierten Sozialwissenschaftlers Prof. Klaus Hurrelmann hat außerdem gezeigt, dass Kinder aus benachteiligten Elternhäusern geringere Bildungschancen haben, häufiger Opfer von Gewalt und Mobbing werden oder auch kaum die Möglichkeit zu kulturellen Aktivitäten haben.

Elternliebe hängt für mich in keinster Weise mit finanzieller Zuwendung zusammen. Allerdings müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass gerade auch für Eltern mit geringerem Einkommen Überforderungssituationen entstehen können, die es ihnen nicht mehr möglich machen, sich voll umfänglich um ihre Kinder zu kümmern. Durch unterstützende Angebote sollte deshalb gewährleistet sein, dass diese Überforderungssituationen erst gar nicht entstehen. Auch die (Wieder-) Eingliederung der Eltern in den Arbeitsmarkt kann hier viel leisten. Denn nach der von mir bereits zitierten Word Vision Studie klagen vor allem Kinder aus Familien, deren Eltern zu Hause sind, über mangelnde Aufmerksamkeit.

Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass die große Mehrheit der Familien ihrer Fürsorgepflicht voll umfänglich nachkommt. Diejenigen, die aufgrund ihrer Lebenssituation dazu nicht in der Lage sind, bedürfen deshalb unserer vollsten Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Miriam Gruß