Frage an Miriam Block von Anja T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Block,
auf der Tourismus-Homepage der Stadt Hamburg wird so die Herbertstraße beschrieben:
„Vor neugierigen Blicken geschützt, gibt es hier käufliche Liebe. Der Zutritt ist nur für Männer über 18 Jahren erlaubt: Die berühmt-berüchtigte Herbertstraße in Hamburg.
Die etwa 60 Meter lange Gasse, die vor den Blicken Neugieriger durch Tore geschützt wird, gehört zum alten Mythos St. Pauli. Hier gibt es die käufliche Liebe seit dem 19. Jahrhundert. Und nur Männern über 18 Jahren wird Zutritt gewährt. Frauen sollten es erst gar nicht wagen, dort hinein zu wollen - sie erwarten Beschimpfungen, faule Eier, kalte Duschen oder mit Urin gefüllte Eimer.“
https://www.hamburg-tourism.de/sehen-erleben/sehenswuerdigkeiten/herbertstrasse/
Halten Sie diese Werbung für angebracht und zeitgemäß?
Können sie mir sagen, wodurch es legitimiert ist, dass eine Straße der Stadt Hamburg ein jugendgefährdender Ort ist von dem auch Frauen ausgeschlossen sind?
Wurden die Tore und Beschilderungen, die „vor neugierigen Blicken schützten“, von der Stadt angebracht? Zum Schutz der Sexarbeiterinnen? Wenn ja, warum nur dort?
Im Wahlprogramm der Grünen heißt es:
Hamburg ist, was wir draus machen.
Ökologisch. Gerecht. Weltoffen.
Aus Grüne Stadtentwicklung:
„…Gemeinwohlorientiert, sozial ausgewogen und nachhaltig: Wir wollen für Hamburg eine Grüne Stadtentwicklung voranbringen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert…“
Aus dem Grundsatzprogramm:
„…Wir akzeptieren es nicht, wenn Frauen nachts oder an bestimmten Orten Angst haben, auf die Straße zu gehen. Der öffentliche Raum gehört allen, alle müssen sich dort aufhalten können, selbstverständlich und ohne Angst. Mehr Polizei vor Ort kann die Sicherheit erhöhen…“
Gibt es außer der Herbertstraße weitere Straßen, die nicht an einer Stadtentwicklung, im Sinne ihres Wahlprogramms, teilhaben?
Wie stehen Sie zu den bisherigen Protesten von Anwohner*innen und Feminist*innen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten
Anja Twest
Sehr geehrte Frau T.,
zunächst ist es mir wichtig allgemein zum Themenkomplex zu sagen: Selbstbestimmung und Emanzipation sind für uns GRÜNE zentrale Werte. Gerade als Feministin halte ich ein Verbot von Prostition oder ähnliche Repressionen nicht für richtig. Wenn Frauen sich entscheiden das als Beruf zu wählen verdient das aus meiner Sicht Respekt wie gegenüber anderer Arbeit auch. Nichtsdestotrotz gibt es Menschenhandel und Zwangsprostitution - dagegen müssen wir kämpfen und tun das auch. Gleiches gilt für prekäre Arbeitsbedingungen und Diskriminierungen.
Zu ihrem konkreten Anliegen: Vielen Dank für Ihren Hinweis. Nein, wir halten diese Werbung nicht für zeitgemäß und werden mit Hamburg Marketing darüber das Gespräch suchen. Natürlich ist es problematisch, Frauen den Zugang zu einer Straße zu verwehren. Nun ist es hier aber ein besonderer Fall, weil die dort arbeitenden Frauen das Verbot als Schutz betrachten und es auf ihre Wunsch hin 1980 zu einer Allgemeinverfügung durch die Stadt kam. Das Bedürfnis der Prostituierten, sich neugierigen Besucher*innen nicht aussetzen zu müssen, ist nachvollziehbar. Gleiches gilt ja z.B. für Bordelle oder ähnliche Etablissements. Wir sehen daher anders als Sie nicht die Vergleichbarkeit zu anderen Straßen, auf die Sie sich mit Stellen in unserem Programm beziehen.
Uns ist übrigens bisher keine Reaktion von Anwohner*innen bekannt. Auch Frauenverbände haben sich bisher nicht mit der Forderung nach einer Öffnung der Herbertstraße an uns gewandt. Selbstverständlich würden wir dann den Dialog suchen und eine Lösung im Sinne aller Beteiligten und Betroffenen finden wollen.
Herzliche Grüße
Miriam Block