Frage an Michail Nelken von Oliver M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Nelken,
ich habe mit Interesse Ihre Antwort auf die Frage von Herrn Ploner gelesen und moechte diesbezueglich ein wenig nachhaken.
Die LINKE hat in ihrem Gutachten von 2013 (Heiko Hilker: "Aktuelle Diskussionen zur
Umsetzung des Rundfunkbeitrag") unter anderem gefordert, dass fuer ausschliessliche Radionutzer bzw. Nutzer internetfaehiger PCs lediglich ein Drittel des Rundfunkbeitrags zu zahlen sind. Ist diese Forderung Ihrer Fraktion noch aktuell und welche Schritte werden Sie unternehmen, um sie durchzusetzen?
Dass die Linke insbesondere die Freistellung vom Beitrag fuer sozial benachteiligte fordert ist loeblich, allerdings stellt sich die Frage, wer dann die entsprechenden Mehrkosten (es entsteht ja dadurch eine Finanzierungsluecke) traegt. Sollen die uebrigen Beitragszahler hierfuer 'Sozialamt' spielen? Oder soll dieser Ausgleich aus Steuern finanziert werden?
Mit freundlichen Gruessen,
O. M.
Sehr geehrter Herr M.,
ich bin - wie ich schon Herrn Ploner mitteilte - kein Experte in Sachen Rundfunk- und Fernsehgebühren. So kenne ich auch das von Ihnen erwähnte Gutachten nicht. Sofern ich mich als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses mit diesen bundespolitischen Fragen zu befassen habe, was im Rahmen der Länderkompetenz sein kann, werde ich mir mit Hilfe der sachverständigen Fraktionsmitglieder meine Meinung zu den zu entscheidenden Problemen bilden. Dann werde ich sicher auch auf die von Ihnen erwähnten Erkenntnisse in der Bundestagsfraktion der LINKEN zurückgreifen. Das trifft, nebenbei gesagt, auch auf viele andere Politikfelder ganz genauso zu. Auch in Fragen des Gesundheitswesens, des Grundwasserschutzes oder der für Berlin relevanten Wirtschaftsförderung der EU muss ich mir bei anstehenden Entscheidungen mit Hilfe meiner Fraktionskollegen und externen Experten die für die Beschlussfassung erforderliche Sachkompetenz aneignen. Parteien und Parlamentsfraktion arbeiten arbeitsteilig, anders könnten sie ihren allgemeinpolitischen Auftrag nicht bewältigen.
Zu Ihrer Frage wie im Falle von Gebührenreduzierung oder Freistellung von der Gebührenpflicht aus sozialen Gründen, der Einnahmeausfall kompensiert werden soll, kann ich Ihnen meine Position erläutern. Denn das ist eine grundsätzliche Frage bei allen Formen von Gebühren, Entgelten, Beiträgen etc., die Bund, Länder und Kommunen erheben.
Wenn der Staat oder die Kommunen bei einer Umlagefinanzierungvon durch die öffentliche Hand erbrachten Leistungen Gebühren, Entgelte, Beiträge etc. aus sozialen Gründen für einen bestimmten Kreis von Zahlungspflichtigen reduzieren oder erlassen, können diese „Einnahmeausfälle“ nicht auf die anderen Zahlungspflichtigen verlagert werden. Wenn z.B. beim teilweise umlagefinanzierten Straßenbau die Beiträge für zahlungspflichtige Anlieger auf Grund von Härtefallregelungen reduziert werden, können nicht die anderen Grundstückseigentümer dies mit hören Beiträgen finanzieren, sondern muss die Gemeinde das auf ihren Finanzierungsanteil nehmen.
Grundsätzlich muss gelten: Für die Finanzierung von „Sozialleistungen“ muss das Gemeinwesen als Ganzes aufkommen. Sie können nicht durch Umlagen auf andere Zahlungspflichtige verlagert werden.
Zu den anderen grundsätzlichen Frage habe ich meine Position schon in der Antwort an Herrn Ploner dargelegt.
Mit freundlichen Grüßen
Michail Nelken.