Frage an Michail Nelken von Jörn W. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Dr. Nelken,
Hält die Absage der Linkspartei an die weitere Privatisierung von städtischen Gesellschaften nur bis zum Wahltag, oder darüber hinaus? Woher kommt der plötzliche Sinneswandel nach dem Verkauf der GSW und von nahezu 50.000 Wohnungen anderer städtischer Gesellschaften seit dem Regierungseintritt der Linkspartei.PDS?
Auch nach der Wahl gilt: Kein Ausverkauf städtischer Wohnungen. Verkauf von Wohnungen ist kein Sanierungsweg für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften.
Sehr geehrter Herr Wegner,
die eindeutige Absage der Linkspartei an den Verkauf städtischer Wohnungen ist keine populistische Wahlkampfphrase, sondern eine wohl begründete, auf tiefen wohnungswirtschaftlichen Analysen basierende Position. In diese Positionsbildung gingen auch Erfahrungen der letzten Jahre ein. Bereits vor der Regierungskoalition mit der SPD hatte die PDS (heute DIE LINKE) die Sanierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften als eine vordringliche Aufgabe angesehen und dies auch im Koalitionsvertrag verankert. Damals gingen wir davon aus, dass mit Erlös des Verkaufes von bis zu 80.000 Wohnungen ein schmerzvoller, aber notwendiger Beitrag zur Sanierung der Gesellschaften zu leisten wäre. Dieser Effekt, so unsere damalige Position, sei aber nur mit einer gleichzeitigen, grundsätzlichen wirtschaftlichen Neuausrichtung der Gesellschaften zu erreichen. In den letzten fünf Jahren wurden ca. 50.000 Wohnungen und eine ganze Gesellschaft (GSW, 65.000 Wohnungen) verkauft. Aber eine Sanierung der Gesellschaften ist, trotz einiger Verbesserungen, nicht erreicht. Der Ertrag aus dem Verkauf der GSW floss gar nicht in die Entschuldung der Gesellschaften, sondern verschwand im Haushaltsloch des Landes. Die Wohnungsverkäufe der Gesellschaften dienten weitgehend der Liquiditätssicherung und kaum der Entschuldung und wirtschaftlichen Sanierung. Zwar sank die Verschuldung absolut, aber die Schuldenlast (Finanzierungslast) je Wohneinheit ist 2005 ebenso groß wie 2002. Durch den Verkauf von Wohnungen, also Einnahmen, kann man die Wohnungsbaugesellschaften nicht mehr sanieren, selbst wenn man jetzt die Erlöse komplett in die Schuldentilgung stecken würde, weil in der Folge zwar der absolute Verschuldungsstand sinken würde, aber die Finanzierungslast je Wohnung gleich bliebe. Ein Blick auf die Entwicklung der letzten fünf Jahren hätte dies auch die wirtschaftsliberalen Grünen und die FDP lehren können. Der Verkauf von Wohnungen würde auch zukünftig lediglich eine kurzfristige Entlastungen für die angespannte Liquiditätssituation bringen, aber keine nachhaltige Sanierung. Diese ist nur zu erreichen, wenn das Verhältnis von Kosten und Erträgen im Kerngeschäft, der Wohnungsbewirtschaftung, grundlegend verbessert wird, und zwar vor allem durch eine Senkung der Verwaltungskosten der Unternehmen. Für eine Optimierung der Bewirtschaftungsergebnisse ist aber die Verkleinerung der zu bewirtschaftenden Bestände kontraproduktiv, nicht nur weil dies die Einnahmen weiter reduzierte, sondern auch weil die Verwaltungskostenlast einem noch kleineren Bestand aufgebürdet würde. Denn der Abbau von personellen und sächlichen Verwaltungsaufwendungen kann nicht mit dem Bestandsverkauf Schritt halten. Das schließt nicht aus, dass man zukünftig auch Wohngebäude verkaufen kann und sollte, wenn dies der Bestandsoptimierung dient. In solchen Einzelfällen (kein großflächiger Verkauf zur Schuldentilgung) ist vorzugsweise an Mieter und Mieterzusammenschlüssen (Genossenschaften etc.) zu veräußern und auf keinen Fall an Finanzinvestoren. Das ist auch machbar, weil bei solchen Verkäufen die Höhe des Verkaufspreises von untergeordneter Bedeutung wäre. D.h. aber auch, dass man zukünftig auch wieder Wohngebäude zur Bestandsoptimierung kaufen kann und sollte. Wir haben also unsere Position nicht geändert. Aber heute sind die Bedingungen andere als 2001. Jetzt ist für den Verkauf von Wohnungen als Sanierungsweg kein rationaler betriebswirtschaftlicher Handlungsspielraum mehr gegeben, wenn man am Ende einen marktrelevanten Bestand an kommunalen Mietwohnungen und sanierte Gesellschaften haben will. Wer heute immer noch den Bestandsverkauf für eine Weg zum Erhalt der Wohnungsbaugesellschaften hält, wie Frau Eichstädt-Bohlig, hat keine Ahnung oder strebt den kompletten Ausverkauf des städtischen Wohnungseigentums an (Sarazin). Mit der Linkspartei wird es ein „Weiterwirtschaften“ auf diesem abschüssigen Weg nicht geben. Ich empfehlen Ihnen weitergehende Texte auf meiner WEB-Seite
www.michail-nelken.de.
Mit freundlichen Grüßen
Michail Nelken